Full text: Europäischer Geschichtskalender. Neue Folge. Achtundzwanzigster Jahrgang. 1912. (53)

16 Das Deutsche  Reich und seine einzelnen Glieder. „Jannar 31.) 
Ministerium nicht. Die Staatdreglerung muß darauf rechnen können, daß 
sie die 2,10 Prozent dauernd bekommen kann; Herr Friedberg ist der 
Meinung, daß die Regierung sie bekommt, wir aber meinen, das ist un- 
möglich, wenn das Exiraordinarium auch  aus Anleihen bestritten wird. 
Wenn hier gefordert wird, daß die Gegenwart zugunsten der Zukunft weniger 
belastet werde, so ist die Regierung der Meinung, daß die Gegenwart nur 
so belastet wird, wie sie belastet werden muß, damit nicht später ein Bankerott 
eintritt. Der Minister erörtert weiter die Frage, ob das Extraordinarium 
nur zum Teil oder ganz werbend ist und bestreitet, daß ein Gegensatz der 
Anschauungen zwischen seiner Verwaltung und der des Eisenbahnministe- 
riums in dieser Beziehung bestehe. Bei unsern wirtschaflilichen Verhältnissen 
ist es unmöglich, daß das Eisenbahnextraordinarium allein aus Anleihen 
bestritten werden kann, ohne Gefährdung der Staatseinnahmen. Daß die 
Zukunft auch erhebliche Lasten hat, ist doch gar keine Frage. Ob es ratsam 
gewesen ist, im vorigen Jahre keine Anleihe aufzunehmen, darüber kann 
man von verschiedener Meinung sein, und die Staatsregierung hat ihren  
Standpunkt durchaus nicht als den allein richtigen hinstellen wollen. Aber die 
letzten Staatsanleihen lagen in den Schränken des Konsortiums, und da 
war es ratsam, abzuwarten, bis der Markt wieder aufnahmefähiger war. 
Der Rückgang des Kurses ist darauf nicht zurückzuführen. Eine gesetzliche 
Erhöhung der Bezüge der Altpensionäre ist nicht durchführbar. Die  
Staatsveiwaltung kann bei einer etwaigen Neuregelung der Pensionsbezüge und 
der Besoldungen für die im Dienst befindlichen Beamten nicht auf die  
bereits pensionierten Beamien zurückgreifen. Das widerspricht unseren  
bisherigen Gepflogenheilen und würde die Besoldungsmahnahmen der Zukunft 
außerordentlich erichweren. Ein Gesetz zugunsten der Altpensionäre wäre 
überflüssig und würde den Staat außerordentlich schwer belasten. Dazu 
kommt, daß viele Pensionäre ihre Bezüge nicht aus der Staatskasse ziehen, 
sondern aus Ruhegehaltskassen z. B. die Lehrer. Diese Ruhegehaltskassen 
werden durch Beiträge der Kommunen bereitet die wieder selbst Pensionäre 
haben, so daß nicht nur der Staat, sondern auch die Kommunen schwer  
belastet würden. Man muß alio den Kopf kühl behalten und sich die Folgen 
überlegen. Etwaige Unterstütungen können gewährt werden, aber eine 
Erhöhung der Pension der Altpensionäre ist nicht möglich. 
Minister der öffentlichen Arbeiten v. Breitenbach  Wir  verfolgen 
von jeher den Grundsatz, daß eine vollwertige Bereithaltung  des Staats- 
eisenbahnnetztes zu einer Herabsekung der Betriebsausgaben führt. Unsere 
weitgehenden Anforderungen gehen von diesem Gesichtspunkt aus. Die  
Erfolge sind auch nicht ausgeblieben. Der Finanzminister hat bereits in seiner 
Etatsrede darauf hingewiesen. Mit der Möglichkeit einer Sieigerung des 
Betriebskoefizienten müssen wir rechnen. Nun ist die Frage der Deutschen 
Eisenbahngemeinschaft von dem früheren Ministerialdirekor Kirchhoff an- 
geschnitten worden. Unsere Abwehr ist hier als Unfreundlichkeit und  
Undankbarkeit gegenüber einem verdienten Beamten bezeichnet worden. 
Das Gefühl der Dankbarkeit wird erschüttert oder abgeschwächt, wenn ein aus dem 
Dienste geschiedener Beamter gegen die ihm bekannte Auflassung der  
Staatsregierung in dieser Weise auftritt. Als die aufsehenseerregende  
Veroeffentlichung erfolgte, war der Landtag nicht versammelt: es war daher nol. 
notwendig, in anderer Weise rechtzeitig dagegen einzuschreiten. Das ist  
geschehen. Die Erörterung der Gemiéinschaftsfrage halte ich für so erheblich 
und bedeutend, daß ich mir vorgenommen habe, diese Frage in der  
Budgetkommission mit aller Gründlichteit zu erörtern und den Nachweis zu liefern, 
daß die preussische Staatseisenbahnverwaliung das nationaldeutsche Interesse 
in hervorragendem Maße gefördert hat. Dort werde ich auch die Bedenken
	        
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