Das Deutsche Weich und seine einzelnen Glieder. (Februar 9) 25
der Hauptsache die Aufgabe der deutschen Gesandtschaft beim päpstlichen
Stuhl sein, diese Aufgabe immer zielbewußt im Auge behalten. Wir
müssen unsere Mahnung auch an die Staatsregierung richten. Hoffen wir,
daß die ruhige, fachliche Beratung wie bisßer auch weiter diesem Antrage
gerecht wird, dann wird er am besten das erreichen, was er erreichen
will nach den Erklärungen des Staatssekretärs erkennt auch die Staatsregierung
an, daß es ihre Pflicht ist, mit aller Sorgfalt zu versuchen, solche Erscheinungen,
die den konfessionellen Frieden stören, hintanzuhalten. Der Siaatssekretär
hat auch die Schritte mitgeteill, die zu diesem Zwecke getan sind. Ich glaube,
daß weitere Mitteilungen einen prakltischen Wert für uns kaum haben werden.
Ich bin sehr vorsichtig in dieser Ausdrucksweise, damit ein Antrag, den ich
jetzt mitzuteilen habe, nicht falsch verstanden wird. Mein Antrag geht dahin, daß
Abgeordnetenhaus wolle beschließen, mit Rücksicht auf die Erklärung des
Staatssekretärs des Auswärtigen Amts über den Antrag v. Campe zur
Tagesordnung überzugehen. Ich bin vorsichtig, damit nichs etwa die
Auffassung Platz greift, als ob mein Antrag eine Abschwächung des Antrages
Campe und seiner Freunde sein soll. Ich halte den Antrag für durchaus
berechtigt, und es wird auch nicht der geringste Zweifel sein, ob wir ihm
zustimmen können, wenn nicht nach der Rede des Staatssekretärs es klar
wäre, daß die Mitteilung von Schriftstücken kaum noch einen praktischen
Erfolg für die Lösung dieser Frage hat. Wir wollen nur dem augenblick-
lichen, durch die Ausführungen des Staatssekretärs geschaffenen Zustande
gerecht werden. Wir wollen nach wie vor bei dieser GeIegenheit alles
bekämpfen und allem entgegentreten, was geeignet ist, eine Beunruhigung in
dem Verhältnisse zu schaffen, daß zwischen unseren katholischen Mitbürgern und uns besteht.
Abg. Dr. Borsch 8): Es ist so dargestellt worden, als ob das
Privilegium fori, daß die Kurie beansprucht, als gemeimes Kirchenrecht so
exorbitant sei. Sie finden die historische Entwicklung klar dargestellt in einem
erschöpfenden Artikel des Professors Schlers (Münster) in der Germania vom
13. November. Das Privilegium fori ist auf Weisungen der Bibel zurück-
zuführen.
Apostel Paulus fordert die Christen auf, ihre Streitigkeiten aus-
schließlich unter sich auszumachen und der Herr und Heiland selbst ermahnt
die Brüder zur .Verständigung Das Privilegium fori ist auch staatlich an-
erkannt, ist staatliches Recht geworden und hat jahrhundertelang als gemeines
Recht bestanden, und erst in der neueren Zeit mit der Entwicklung unseres
Staatswesens ist eine Aenderung eingetreten. Das Privilegium besteht
aber an sich noch mit Ausnahme der Länder, wo es derogiert ist. Papst Pius IX.
hat sich nun 1869 veranlaßt gesehen eine Zusammenstellung der kirchlichen Rechte
zu machen, und in diesen Konstitutionen von 1889 ist das Privilegium fori
enthalten. Das Motu proprio ist nun nicht eine iselbständige kirchliche
Entscheidung, sondern nur eine authentische Interpretation dahin, daß auch
Privatpersonen unter das Privilegium fori fallen. Es gilt nur für die
Länder, für welche das gemeine Recht von 1889 gilt.
Der Antrag Pappenheim auf Uebergang zur Tagesordnung wird
gegen die Stimmen der Nationalliberalen, Fortschrittler, Sozialdemokraten
und eines Teils der Freikonservativen angenommen.
9. Februar. (Elberfeld.) Der Großindustrielle v. Böktinger,
Mitglied des Herrenhauses, erklärt seinen Austritt aus der National-
liberalen Partei, weil bei der Präfidentenwahl im Reichstag beim
dritten Wahlgang etwa zwanzig Nationalliberale für den Sozial-
demokraten gestimmt hätten.