Full text: Europäischer Geschichtskalender. Neue Folge. Achtundzwanzigster Jahrgang. 1912. (53)

28 Das Deutsche Reich und seine einzelnen Glieder. (Februar 14.) 
lauten, 165 weiß bleiben, 14 slch auf 8 andere Abgeordnete zersplittern. 
Abg. Dove nimmt die Wahl an. 
Staatssekretär Wermuth: Beim Beginn der Legislaturperiode. ist 
es vielleicht nützlich, einen Blick auf den Weg zu werfen, den das deutsche 
Finanzwesen bisher zurückgelegt hat. Er war am Anfang eben, nachher 
ist er erheblich steiler geworden. Das Reich hatte 1872 einen Ausgabeetat 
von 450 Millionen; davon entfielen drei Fünftel auf das Heer, ein Acht- 
zehntel auf die Marine  85 Millionen beanspruchte die Post, 18 die Reichs- 
eisenbahn, der auswärtige Dienst erforderte 4, das damalige Reichskanzler- 
amt, der ganze gegenwärtige Bereich der inneren Reichsverwaltung nur 
2 Millionen. Auf der Einnahmeseite lieferte die Post einen Ueberschuß 
von 5, die Eisenbahn einen solchen von 9 Millionen, Zölle und Steuern 
ergaben  zusammen 91 Millionen, aus der französischen Kriegskostenent- 
schädigung flossen dem Etat 45 Millionen zu. Die Matrikularbeiträge 
beliefen sich auf ungefähr ein Fünftel der Roh- und etwa ein Viertel der 
Reineinfuhr. Eine Anleihe hatte der Etat von 1872 nicht, vielmehr setzte 
er noch 10½ Millionen aus zur Tilgung einer früher aufgenommenen 
Anleihe. Der Elat, den ich Ihnen jetzt vorzulegen die Ehre habe, schließt, 
abgesehen von den Ueberweisungen und den durch sie gedeckten Matrikular- 
beiiträgen im Betrage von 183 Millionen, ob mit einer Gesamtausgabe 
von 2819 Millionen. Davon entfallen auf die fortdaurnden ordentlichen 
Ausgaben 2275, auf die ordentlichen, einmaligen Ausgaben 410, auf die 
außerordentlichen einmaligen Ausgaben 134 Millionen Mark. Die effektive 
Anleihe beläuft sich auf 44 Mloneen Mark. Von der Schuldentilgung 
abgesehen, entfällt von der Gesamtsumme auf das Heer ein kleines Drittel, 
875 Millionen Mark, auf die Marine 450 Millionen, also etwa ein Sechstel, 
auf die Post 714, die Eisenbahnen 124 Millionen  wieder ein kleines 
Drittel; dann folgt das Reichsamt des Junern mit 142, das Auswärtige 
mit 90, die Schutzgebiete mit 33, die kleinen Verwaltungen mil 32 Mil- 
lionen schließlich Agurieren die Pensionsetals mit 184, die Schuldenzinsen mit 
185 Millionen Mark. Weitaus an der Spitze der Einnahmen stehen 
die Zölle und Steuern mit 1594 Millionen: die Post hat eine Gesamtein- 
nahme von 781 Millionen und einen Ueberschuß von 67 oder 89 Millionen, 
nachden man die Anleihe mitrechnet oder nicht; bei den Eisebahnen 
sind dieselben Zifiern 139 und 14 bezw. 24, die kleineren  Verwaltungs- 
einnahmen sind, 110 Millionen, die Matrikularbeiträge 270 Millionen. 
Danach zeigt der Anfangs-  und der bisherige Endpunkt unserer deutschen 
Finanzwirtschaft   Unterschiede, wie sie nur bei einem jugendlich ansstrebenden 
Geemeinwesen vorkommen können. Darauf eingewirkt hat nicht nur die 
Fülle der neuen Ausgaben. welche mit Aufwendungen verbunden sind, wie 
die sozialpolitische Fürsorge, die Schutzgebiete usw., nicht nur der Um- 
stand, daß wir uns in diesen 40 Jahren eine Flotte völlig neu geschaffen 
haben, in hohem Maße wirkt hier mit der unerhörte Aufschwung, den wir, 
und nicht nur wir allein, während des letzten Menichenallers genommen 
haben. Die Ausgaben des Reiches überscheiten 1887 die erste Milliarde. 
Von 1877 ab trat eine Periode kleiner Anleihen ein, von 1887 bis 1894 
eine Periode sehr beträchtlicher Anleihen, und bereite gegen Ende des  
Jahrhunderts war die Gesamtschuld über 2 Milliarden. Dann aber begann 
die einzigartige Aufwärtsbewegung der Anleihen. Von 1900 bis 1909  haben 
wir nicht weniger als 2700 Millionen Anleihe anigenommen (hörtt, hört!): 
den eigentlichen Misststand aber sieht man vor allem in den Zwecken, welchen 
diese Anleihen gedient haben. Von den gesamten von 19(00 bie 1909  
aufgenommenen Anleihebeträgen entfallen nur 14 Prozent auf werbende  
Ausgaben „Hört, hört , die übrigen 86 Prozen sind ein mehr oder weniger 
  
 
	        
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