Full text: Europäischer Geschichtskalender. Neue Folge. Achtundzwanzigster Jahrgang. 1912. (53)

30 Das Deutsche Reich und seine einzelnen Glieder. (Februar 14.) 
haben die Finanzen des Reiches und der Bundesstaaten eine Sicherheit 
gewonnen, welche ihnen bisher vollkommen abging. Soll aber der Er- 
folg der Wiedergesundung uns erhalten bleiben, so müssen wir auch 
weiter die Mittel anwenden, mit denen wir so weit gekommen sind.  
Entsteht ein neuer zwingender Mehrbedarf, so darf das nicht der Anlaß 
sein, diese Grundsätze wieder über Bord zu werfen und den alten Spruch: 
„Keine Ausgabe ohne Deckung“, was doch wohl heißen soll „ohne Geld- 
deckung", in den Wahlspruch zu verwandeln: „Keine Ausgabe ohne Papier- 
deckung, ohne Briefdeckung. Wenn das Wohl des  Vaterlandes ein Opfer 
erheischt, so muß es gebracht werden. Die Finanzen sind auch ein Teil 
der Wehrtüchtigkeit des Reiches, auch sie müssen gut einexerziert sein, auch 
sie müssen vor dem In- und Auslande untadelhaft dastehen, auch sie dürfen 
nicht einmal aus Mißverständnis als morsch und gebrechlich erscheinen. 
Verdienen sie Vertrauen und wird es ihnen zuteil, dann dienen sie dem 
Ansehen Deutschlands und damit der gedeihlichen Entwicklung unseres 
gesamten Staatslebens (Beifall.) 
14. Februar. (Bayern.) Die amtlichen Ziffern über die 
:Landtagswahl 
Wahlberechtigt waren 1187127 Personen. Abgegeben wurden im ganzen 
969325  Stimmen (gleich 81,7 Prozent der Wähler, davon waren ungültig 
4649 Stimmen, gleich 0,48 Prozent). Das Zentrum, der Bund der Land- 
wirte und die Konservativen erhielten 463631  Stimmen (gleich 48 Prozent 
der gültigen Stimmen), die Liberalen, der deutsche und der bayerische Bauern- 
bund und die Sozialdemokraten  erhielten 489746  Stimmen (gleich 50,8  
Prozent), ferner waren 11299 Stimmen (gleich 1,2 Prozent) zersplittert. 
14. Februar. (Bayern) Kriegsminister Graf v. Horn nimmt 
seine Entlassung und wird durch den kommandierenden General 
des 3. Armeekorps Frhrn. Kreß von Kreisenstein ersetzt. 
14. Februar. (Berlin.) Besprechung der „Geld- und Kredit- 
verhältnisse unserer Kolonien“ im Deutschen Landwirtschaftsrat. 
Prof. Dr. Rathgen-Hamburg: Die Reichsmark ist in unseren 
Schutzgebieten das eigentliche Zahlmittel geworden, Silbergeld in un- 
beichränkter Menge wird in Zahlung genommen. 17 bis 18 Millionen 
Mark Silber laufen in unseren Schutzgebieten um und den Vorteil davon 
hat das Reich. Etwas anders liegen die Verhältnisse in Ostafrika. Hier 
herrschte früher die indische Rupie, dann erhielt die Ostafrikanische Gesell- 
schaft das Recht, Rupien zu prägen, die genau der indischen Rupie ent- 
sprachen. Es traten dabei aber ganz eigenartige Verhältnisse ein, die Ostafri- 
kanische Gesellschaft war eigentlich nicht gezwungen, diese Rupien in  Zahlung 
zu nehmen. Die Rupien waren gewissermaßen in der Luft. Solange 
die indische Rupie tatiächlich — wenn auch durch eine nichtenglische Gesell- 
schaft geprägt — Zahlungsmittel war, neigte der ostafrikanische Handel 
allzusehr nach Sansibar. Die Ostafrikanische Gesellschaft verzichtete zugunsten 
des ostafrikanischen Fiskus auf ihr Prägungerecht. Dieser verdient jährlich 
dabei zwei Millionen Mark. Gleichzeitig hat man die deutsche Rupie von 
der englischen Rupie losgelöst, indem man jener einen etwas geringeren 
Wert gab. Während fünfzehn deutsche Rupien auf ein Zwanzigmarkstück 
geben, entsprechen fünfzehn englische Rupien einem Pfund Sterling. Dieser 
kleine Unterschied genügte, um das  wirtschaftliche Hinneigen Ostafrikas nach 
Sansibar zu mindern. Daneben gibt es in Ostafrika die Ostafrikanische 
Bank, die Noten ausgibt, — die Handelsbank, die eine rein kauf-
	        
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