Fruantreich. (Januar 27. 28.) 631
Eingehend weist er nach, daß das französische Flugfahrwesen in
jeder Beziehung gegenüber dem deutschen im Rückstand sei. Auch bei der
Heranbildung der Flieger herrsche Nachlässigkeit und Planlosigkeit. Man
sagt, fügt der Senator hinzu, daß die Minderwertigkeit der französischen
Lenkballons eine Folge unseres übertriebenen Vertrauens zum Flugwesen
ist, und ich wünschte, daß dieses Vertrauen bei der Regierung wirklich
bestände. Der Vorwurf, den ich der Regierung mache, ist nicht, daß sie
nichts getan hat, sondern, daß sie nichts tut und dennoch glauben machen
möchte, daß sie etwas tut.
27. Januar. Einspruch von 71 Präßddenten französischer
Handelskammern gegen die von Caillaux geplante Einkommen= und
Kapitalsteuer. —
28. Januar. (Kammer.) Anleihe für Marokko.
Die Kammer erörtert eine Vorlage, welche die Regierung des Protek-
torats Marokko ermächtigt, eine Anleihe von 170 Millionen Franken zur
Ausführung öffentlicher Arbeiten und zur Tilgung der Schulden des Machsen
aufzunehmen. Ministerpräsident Doumergue führt aus, daß 30 Millionen
der Anleihe zur Tilgung früherer Schulden dienen sollen und 140 Millionen
für die kommenden Ausgaben vorgesehen sind. Er fügt hinzu, daß das
Parlament demnächst sich über eine Vorlage zum Bau einer Eisenbahn von
Tanger nach Fez auszusprechen haben werde, die das erste Stück der
marokkonischen Eisenbahnen bilden werde. Die Vorlage wird einstimmig
angenommen.
W. Januar. Die russischen Putilowwerke und Krupp.
„Echo de Paris“ bringt die Meldung aus Petersburg, es halte
sich dort mit Hartnäckigkeit das Gerücht, daß die Geschützfabrik Putilow
von Krupp mit Unterstützung der Deutschen Bank aufgekauft worden sei.
Obwohl diese Nachricht von der „Petersburger Telegraphenagentur"“ am
folgenden Tage offiziös dementiert wird, ruft sie in der Pariser Presse
eine gewaltige Aufregung hervor. Der offiziöse „Petit Parisien“ schreibt:
Falls die russische Regierung dieser Gefahr gegenüber gleichgültig bleibe,
würde diese Haltung in Frankreich nachdrücklichen Einspruch hervorrufen.
Das französisch-russische Bündnis müsse in gleicher Weise zum Nutzen beider
Länder betätigt werden. Die „Petite République“ schreibt: Es ist
unleugbar, daß selbst eine nur schwache Beteiligung einer deutschen Firma
an einer Sache, die so nahe die militärische Ordnung unserer Verbündeten
angeht, als eine wenig freundschaftliche Handlung angesehen werden müßte.
Man kann nicht anführen, daß es sich um eine rein industrielle und
geschäftliche Sache handle. Es handelt sich vielmehr um eine Frage der
Landesverteidigung, nicht ollein für Rußland, sondern auch für Frankreich.
Der „Temps“ erklärt zusammenfassend (am 9. Februar): Die russische
Regierung? Wir haben nicht das Recht, die Ehrlichkeit ihrer Absichten in
Zweifel zu setzen. Deshalb zielen diese Zeilen auch in keiner Weise auf
sie ab. Nicht ihr als Regierung ist das unglückliche Geschäft beizumessen,
das beinahe gelungen wäre. Nicht der Staat ist verantwortlich, aber die
Bureaus sind es, die sicherlich über das Bankgeschäft, das abgeschlossen
werden sollte, auf dem laufenden waren. Weshalb haben sie nicht ein-
gegriffen? Die Ministerien hätten dies nicht getan, weil diese Bureaus fast
täglich nach Deutschland Materialbestellungen für die Flotte, das Heer und
für die Eisenbahn übermitteln. Der Berichterstatter des „Temps“ mißt es
daher auch nur dem Alarmruf der französischen Presse bei, daß das Geschäft
in diesem Falle vereitelt wurde.