Full text: Europäischer Geschichtskalender. Neue Folge. Dreißigster Jahrgang. 1914. Zweite Hälfte. (55b)

Fra#kreich. (Februar 16.—18.) 635 
Inkrafttreten der Abmachungen ist die Einigung der Parteien mit der 
Türkei über die schwebenden Fragen. Der Abschluß wird in der französischen 
Presse zumeist abfällig kommentiert. Der „Figaro“ schreibt: Die Verhand- 
lungen stellen für uns eine Liquidation dar. Die Liquidation kam aber 
zu spät und war infolgedessen schlecht. Seit vielen Jahren haben wir uns 
bereits im Orient überflügeln lassen, wo unsere Situation erschüttert ist. 
Wir haben eine Anzahl Fehler begangen, deren Konsequenzen sich heute 
stark fühlbar machen. Die offizielle Presse verhält sich auffällig ruhig und 
der „Petit Parisien“ schreibt, daß es vorläufig noch ungeeignet sei, 
über den Vertrag zu diskutieren, dessen politisches Interesse bedeutend 
größer sei als sein ökonomisches. Der Abschluß des Vertrages biete den 
Beweis für die guten Beziehungen unter den Großmächten, da ohne deren 
guten Willen der Abschluß unmöglich gewesen wäre. (Vgl. auch den belgischen 
Gesandtschaftsbericht vom 20. Februar im „Anhang“.) 
16. Februar. (Kammer.) Heeresvorlagen. 
Der Bericht, den der Abg. Bénazet im Namen des Heeresausschusses 
verliest, teilt mit, daß die Regierung anstatt der ursprünglich angekündigten 
außerordentlichen militärischen Ausgaben von 860 Millionen rund 
1410 Millionen verlangen werde, und zwar 655 311000 Franken anstatt 
440 Millionen für die Erhöhung des Friedensstandes und 754,5 Millionen 
anstatt 420 Millionen für die Verbesserung des Kriegsmaterials. Hinsichtlich 
des Kriegsmaterials befinde sich Frankreich gegenwärtig unzweifelhaft in 
einem bedenklichen Zustande der Inferiorität. Ferner weist der Bericht 
auf die Notwendigkeit hin, große Uebungsplätze zu beschaffen. Die auf 
130 Millionen Franken veranschlagten Kosten werden auf fünf Jahre 
verteilt. Alle Punkte des Programms, so schließt der Bericht, entsprechen 
gebieterischen Bedürfnissen. Seine baldige Verwirklichung ist für die Sicher- 
heit des Landes unerläßlich. - 
Kriegsminister Noulens legt einen Gesetzentwurf vor betr. Errich- 
tung von neuen Cadres und Erhöhung der Mannschaftsbestände 
der verschiedenen Waffengattungen. Danach sollten zwei neue Regimenter 
berittener Chasseurs d'Afrique errichtet, in allen Kavallerie-Regimentern des 
Mutterlandes die Zahl der Mannschaften auf je 740 Reiter, die der Pferde 
auf 770 erhöht werden. Diese Maßnahmen werden gestatten, die Kavallerie 
in einigen Stunden ausschließlich auf Grund der eigenen Hilfsmittel zu 
mobilisieren. Ferner soll die Artillerie der 10 Kavallerie-Divisionen auf je 
3 Batterien erhöht werden, was die Errichtung von 14 berittenen Batterien 
zur Folge hat. Weiter sollen 5 Regimenter schwerer Artillerie errichtet 
werden und den Artillerie-Regimentern soll überdies eine gewisse Anzahl 
von Automobilen zugeteilt werden, welche zur Beschießung der Luftschiffe 
und Flugzeuge ausgerüstet werden. Ferner sollen zwei neue Zuavenregimenter 
errichtet werden. 
17. Februar. (Kammer.) Die Regierung bringt die Er- 
mächtigungsgesuche 26 noch nicht bestätigter Orden ein, mit dem 
Antrag, sie abzulehnen. 
18. Februar. Zahl der franzöfischen Deserteure im Jahre 1913. 
Auf eine Anfrage des radikalen Abg. Martin erteilt der Kriegs- 
minister Noulens im „Amtsblatt“ die Antwort, daß am Ende des Vor- 
jahres die Zahl der Deserteure 15065 und die Zahl derjenigen, die sich 
der Gestellungspflicht entzogen, 65872 betragen habe.
	        
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