Full text: Europäischer Geschichtskalender. Neue Folge. Dreißigster Jahrgang. 1914. Zweite Hälfte. (55b)

Frankrei. (Mãrz 26. 26.) 645 
edleren Unternehmens, das von den Philosophen des 18. Jahrhunderts 
eingeleitet wurde, die zuerst auf die in den Wolken verlorenen alten Glaubens- 
artikel zu verzichten wagten und sich weigerten, noch länger die Stirn vor 
einer Macht zu beugen, die man in den Himmel versetzte und die aus 
diesem niemals sich entfernte, um sich kundzugeben. Diese großen Männer 
haben unseren modernen Glauben gegründet, der auf dem Prinzip beruht: 
Die Menschheit muß sich durch sich selbst, durch ihr Leiden und ihre Arbeit 
aufrichten! Wenn die Kirche uns nur ihren Glauben und ihren Frieden, 
den Segen für die Toten und den Trost für die Lebenden brächte, würden 
wir sie nicht beunruhigen. Aber sie will eine Regierung sein und erobern, 
sie will die Vorrechte wiedergewinnen, die die Revolution ihr entrissen 
hat, und die Macht in den Dienst des Glaubens stellen. Laut erkläre ich, 
daß, wenn ein Regime das Recht hat, sich ihr gegenüber aufzurichten, es 
das republikanische ist; denn auch die Republik ist ein Glauben; denn Sie, 
die Sie unsere Widersacher sind, würden der Republik nicht gestatten, ihre 
Aufgabe zu erfüllen, die in der Erhebung der Seelen besteht. Das ist der 
Abgrund zwischen uns. Ich antwortete auf Ihre Herausforderung. Sie 
haben sich als Söhne der Kirche und als Soldaten des Papstes erklärt. 
Es scheint mir, daß der prächtige Ausruf Montalemberts in Ihrem Ge- 
wissen sich regt, wenn er sich auch nicht auf Ihre Lippen drängte: „Die 
Enkel der Kreuzfahrer werden nicht vor den Söhnen Voltaires zurück- 
weichen."“ Ich sage Ihnen, daß die Enkel der Revolution nicht gestatten 
werden, daß sich die drückendste Tyrannei, die je bestanden hat, wieder 
bilde! Der Senat beschließt mit großer Majorität, dieser Rede die Ehre 
des Anschlags in allen Gemeinden Frankreichs zuteil werden zu lassen. 
25. März. (Maillane.) Der provenzalische Dichter Frédéric 
Mistral f, 83 Jahre alt. 
26. März. (Kammer.) Die Vorlage, die an einmaligen Aus- 
gaben zur Deckung der Bedürfnisse für die nationale Verteidigung 
1800 Millionen Franken vorfieht, wird mit 394 gegen 95 Stimmen 
angenommen. Auch die Anleihe für Aquatorialafrika (s. 3. Februar) 
wird bewilligt. 
Gleichzeitig wird ein von der Regierung und der Kommission ge- 
billigter Zusatzantrag des Sozialisten Thomas angenommen, nach welchem 
ein Unterausschuß, aus fünf Mitgliedern der zuständigen Ausschüsse der 
Kammer und des Senats bestehend, die Ausgaben kontrollieren soll. 
Mehrere Sozialisten erheben Einspruch dagegen, daß die Heeresvorlage 
nicht von Angaben über die finanzielle Deckung begleitet sei, wie dies bei 
der deutschen Militärvorlage der Fall war. Der Kriegsminister antwortet: 
Die Regierung beabsichtigt, die Mittel zur Deckung durch Steuern auf 
den erworbenen Reichtum aufzubringen. Sie wird eine Vorlage sogleich 
nach Wiederaufnahme der parlamentarischen Arbeiten einbringen. Die be- 
willigten außerordentlichen Militärkredite, durch die sämtliche durch die 
Wiedereinführung der dreijährigen Dienstzeit im Heere und die Durch- 
führung des Flottenprogramms erwachsenen Ausgaben liquidiert werden, 
zerfallen in 1143,5 Millionen Franken für das Heer und 765 Millionen 
Franken für die Marine. 754 Millionen Franken sind für die Vervoll- 
kommnung des Kriegsmaterials bestimmt (s. auch 16. Februar). 
26. März. (Paris.) Rede Poincarés bei einem Bankett der 
Militärfachpresse.
	        
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