Full text: Europäischer Geschichtskalender. Neue Folge. Dreißigster Jahrgang. 1914. Zweite Hälfte. (55b)

648 Fra#nkreich. (April 1.—4.) 
Mehrere regierungsfeindliche Blätter weisen bei dieser Gelegenheit 
nochmals darauf hin, daß die Kammerwahlen stattfinden werden, bevor 
noch das Parlament das Budget für das laufende Jahr erledigt hat. Der 
Deputierte und ehemalige Minister de Lanessan, ein Anhänger des Brian- 
distischen Verbandes der Linken, schreibt im „Siecle“: Dieses in der Ge- 
schichte der dritten Republik und vielleicht in der ganzen parlamentarischen 
Geschichte einzig dastehende Vorkommnis ist dem Ministerium Doumergue 
zuzuschreiben. Die Republikaner und ihre Regierungen haben mit ihren 
eigenen Händen furchtbare Waffen geschmiedet, welche die Feinde der Republik 
niemals besessen haben. Ein schwererer Fehler konnte überhaupt nicht be- 
gangen werden. 
1. April. Abschluß der Tätigkeit des Rochetteausschusses. 
Der Ausschuß nimmt mit 14 gegen 3 Stimmen bei zwei Enthal- 
tungen „Schlußfolgerungen“ an, die den Nachweis erbringen, daß unter 
dem Ministerium Monis Eingriffe der Regierung vorgekommen sind, um 
durch Vermittlung des Oberstaatsanwalts Fabre von dem Präsidenten der 
Berufungsstrafkammer einen Aufschub des Rochetteprozesses zu erreichen. 
1. April. (Kammer.) Die Kammer stimmt mit 373 gegen 
132 Stimmen für die Eingliederung der Vorlage über die Er- 
gänzungssteuer auf das Einkommen in das Budget. 
Auch das Abkommen über den Eisenbahnbau Tanger-Fez (s.12. Februar) 
wird genehmigt. 
2. April. (Kammer.) Die Kammer nimmt die letzten Artikel 
des Finanzgesetzes und sodann mit 400 gegen 70 Stimmen das 
gesamte Budget an. 
Im Verlaufe der Beratung erklärt der Berichterstatter der Budget- 
kommission, daß die ordentlichen Ausgaben 5 105 254000 Franken, die ordent- 
lichen Einnahmen 4895 849000 Franken betrügen, mithin ein Defizit von 
210 Millionen verbleibe, das gedeckt werden würde in Höhe von 190 Mil- 
lionen durch kurzfristige Obligationen, der Rest durch Steuern auf beweg- 
liche Werte. (Im Senate kann das Budget nicht mehr zur Abstimmung 
gebracht werden.) 
3. April. (Kammer.) Die Gesetzvorlage betr. zwei provi- 
sorische Budgetzwölftel für Mai und Juni wird mit 264 gegen 
159 Stimmen angenommen. 
3. April. (Senat.) Der Senat nimmt den Gesetzentwurf 
über die Kaders und die Effektivstärke der verschiedenen Waffen- 
gattungen, sowie den Entwurf über die beiden Budgetzwölftel für 
Mai und Juni an und vertagt sich bis zum 2. Juni. 
3 4. April. (Kammer.) Nach Beendigung der Beratung der 
Schlußfolgerungen des Rochetteausschusses vertagt sich die Kammer 
bis zum 1. Juni. 
Zunächst wird mit 342 gegen 141 Stimmen die Priorität für den 
Antrag Delahaye abgelehnt, wonach gegen Monis und Caillaux wegen 
Beamtenbestechung ein gerichtliches Verfahren eingeleitet werden soll. Mit 
allen 488 Stimmen wird dann die von Renard und Dariac eingebrachte
	        
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