Full text: Europäischer Geschichtskalender. Neue Folge. Dreißigster Jahrgang. 1914. Zweite Hälfte. (55b)

650 Frankreich. (April 9. 10.) 
die Pforte in Syrien die Konzession der Eisenbahn von Rayak nach Ramleh, 
bezüglich welcher man hofft, daß die englische Regierung erforderlichenfalls 
der Verbindung mit dem ägyptischen Eisenbahnnetz zustimmen würde. 
Schließlich bewilligte die Pforte Konzessionen für die Häfen von Jaffa und 
Haifa und von Asiatisch-Tripolis im Mittelmeer und für die Häfen von 
Ineboli und Heraklea im Schwarzen Meere. 
Frankreich gewährt dafür der Türkei außer der am 24. April zur 
Ausgabe gelangenden 500 Millionenanleihe zu 5 Prozent noch eine zweite 
Anleihe im Nominalbetrage von 300 Millionen, deren Emission zu Ende 1914 
erfolgen soll. Von dem Erträgnis der ersten Anleihe werden der türkischen 
Regierung nach Bezahlung der schwebenden Schulden etwa 120 Millionen 
verbleiben, welche zur Bezahlung verschiedener Lieferanten und der rück- 
ständigen Beamtengehälter dienen sollen. Zehn Millionen sollen für Eisen- 
bahnbauten verwendet werden. Auch nicht der geringste Bruchteil dieser 
Anleihe dürfe für Vorbereitungen eines Angriffs gegen einen fremden Staat 
verwendet werden. Von der zweiten Anleihe, deren Erträgnis etwa 240 Mil- 
lionen betragen wird, wird die Hälfte für öffentliche Arbeiten verwendet 
werden, die andere dem türkischen Staatsschatze zur Verfügung bleiben. 
Frankreich gibt ferner, natürlich unter Vorbehalt der Zustimmung der übrigen 
Mächte, seine Einwilligung zu einer vierprozentigen Zollerhöhung zur Ein- 
führung von Akzisesteuern oder Monopolen auf Spiritus, Zucker, Zigaretten- 
papier, Petroleum und Zündhölzer, zur Ausdehnung der Einkommensteuer 
auf Wertpapiere für Ausländer, zur Einführung von Stempelsteuern und 
zur Einführung eines Oktroys in den hervorragendsten Städten. Das Ge- 
samterträgnis dieser neuen Steuerquellen wird auf 80 Millionen geschätzt. 
Schließlich enthält das Uebereinkommen auch eine Erklärung der französischen 
Regierung, daß sie gegen die Aufhebung der ausländischen Postämter in 
der Türkei keine grundsätzlichen Bedenken erheben werde. 
9. April. Präsident Poincaré richtet entgegen den sonstigen 
Gepflogenheiten schon jetzt an das englische Herrscherpaar eine Depesche, 
worin er die Majestäten anläßlich ihres bevorstehenden Besuches in 
Frankreich herzlich willkommen heißt. 
10. April. Der Justizminister unterbreitet dem Präfidenten 
einen Erlaß, durch den der durch die Rochetteaffäre kompromittierte 
Generalstaatsanwalt Fabre zum Präsidenten des Appellhofes in 
Aix ernannt wird. 
10. April. Ein neuer Dreibund? 
Die Pariser Havas-Agentur meldet vom 9. April aus Petersburg: 
Zu wiederholten Malen hat man im Laufe der letzten Monate in einigen 
politischen und diplomatischen Kreisen von der Möglichkeit gesprochen, das 
zwischen Rußland und England bestehende Einvernehmen eine bestimmtere 
und auch festere Gestalt annehmen zu sehen. Wie die „Weschtjerna Wremja" 
heute berichtet, ist der Vorschlag Sir Edward Greys, der dahin geht, 
daß die Mächte des Dreiverbandes künftig bei den andern Mächten für 
alle Rußland, England und Frankreich angehenden Fragen gemeinsam vor- 
gehen, in Petersburg mit Wohlwollen ausgenommen worden. Die russische 
Diplomatie, erklärt das Blatt, teilt vollständig die von dem englischen 
Minister des Auswärtigen bekundete Auffassung. In Petersburg dachte 
man seit langem daran, eine engere Annäherung mit England herzustellen. 
In den zuständigen Kreisen ist sogar das Wort Bündnis gefallen. Die
	        
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