Full text: Europäischer Geschichtskalender. Neue Folge. Dreißigster Jahrgang. 1914. Zweite Hälfte. (55b)

Ermtreich. (Juli 14.—16.) 671 
ist eine Anzahl in den Jahren 1878—1880 errichtet worden, wobei man 
nur an einen Defensivkrieg dachte; aber diese Werke haben jetzt nur 
noch den Wert als Stützpunkt in der Schlacht. Was die Fußbekleidung 
anbetrifft, soll jeder Mann zwei Paar feldmarschmäßige Stiefel vorläufig 
haben, aber in das Budget für 1915 werden 6 Millionen eingesetzt werden 
für die Beschaffung von Fußbekleidungen für die dienstfreien Stunden. 
Wir haben, sagt der Minister, den Vorsprung vor unseren Nachbarn noch 
nicht eingeholt, aber wir setzen alles Menschenmögliche daran, um die 
Fehler wieder gut zu machen, welche in unserem Lande begangen worden sind. 
14.15. Juli. (Kammer.) Annahme des Budgets 1914. 
Nach Annahme einer Resolution, durch die die Regierung aufgefordert 
wird, bei der im Oktober beginnenden Session eine Vorlage einzubringen 
betreffend Herabsetzung der Personal-, Mobiliar--, der Tür= und Fenstersteuer 
im entsprechenden Verhältnis zu dem Ergebnis der Einkommensteuer, 
wird das Budget im ganzen mit 373 gegen 126 Stimmen mit einigen 
Abänderungen angenommen, die seine Zurückweisung an den Senat not- 
wendig machen. 
15. Juli. (Kammer und Senat.) Nachdem sich die beiden 
Häuser über alle Punkte des Budgets geeinigt haben, wird die 
Session geschlossen. 
16. Juli. (Dünkirchen.) Präsident Poincaré tritt in Be- 
gleitung des Ministerpräsidenten Viviani an Bord des Panzer= 
kreuzers „France“ die Fahrt nach Rußland an. (Über den Verlauf 
der Reise s. Rußland.) 
Der „Matin“ äußert sich aus diesem Anlaß (am 18.) über die 
russischen Rüstungen der letzten Zeit: Die Reise des Präsidenten Poincaré 
erfolgt in einem Augenblick, wo das außerordentliche Erwachen Rußlands 
glänzend zutage tritt. Auf allen Gebieten der menschlichen Tätigkeit sind 
in sehr kurzer Zeit ungeheure Fortschritte verwirklicht worden. Die Russen 
aller Klassen und Berufe sind sich mit einem Schlage der furchtbaren 
Macht ihres Landes bewußt geworden. Sie wollen, daß diese Macht auch 
für das Ausland, auch für den Gegner sichtbar werde. Auf die Vermehrung 
der deutschen Armee hat Frankreich mit dem Dreijahrsgesetz und Rußland 
mit seiner Vermehrung der Mannschaftsbestände geantwortet, die ihm im 
ersten Monat des Jahres 1916 eine niederschmetternde Ueberlegenheit über 
alle europäischen Heere verleihen wird. Rußland ganz allein wird eine 
Friedensstärke besitzen, die an Zahl die vereinigten Heere des Dreibundes 
übertrifft. Dank der raschen Herstellung strategischer Bahnlinien wird Ruß- 
land ebenso schnell wie die andern Militärmächte mobilisieren können. 
Dieselben Kraftanstrengungen äußern sich in der Marine, deren Budget 
gegenwärtig das Englands übertrifft. Rußland, das seit 1905 militärisch 
diskreditiert und geringgeschätzt war, ist im Begriffe, die stärkste Militär- 
macht zu werden, die die Welt je gesehen hat. Rußland will keinen Krieg, 
ebensowenig wie Frankreich. Kaiser Nikolaus sagte vor einiger Zeit zu 
einem französischen Diplomaten: Wir wollen stark genug sein, um den 
Frieden zu erzwingen. Aber Rußland wird gewisse Handlungen Deutsch- 
lands wie die Entsendung der Mission Liman von Sanders nach Kon- 
stantinopel und die Verhaftung ehrenwerter russischer Persönlichkeiten unter 
dem Vorwande der Spionage oder die heftige Sprache der Vertreter Ber- 
liner Blätter nicht mehr zulassen. Seit einigen Monaten bereits spricht
	        
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