Full text: Europäischer Geschichtskalender. Neue Folge. Dreißigster Jahrgang. 1914. Zweite Hälfte. (55b)

Sraukreiq. (August 1. 2.) 677 
zosen und weiß, daß nicht einer seine Pflicht nicht erfüllen wird. Zu dieser 
Stunde gibt es keine Parteien mehr. Es gibt nur noch das einige Frank- 
reich, das friedliche und entschlossene Frankreich. Es gibt das Vaterland 
des Rechts und der Gerechtigkeit, ganz einig in der Ruhe, der Wachsamkeit 
und der Würde. 
Dieser Erlaß ist vom Präsidenten und allen Ministern unterzeichnet. 
1. August. Die Regierung erläßt eine Verordnung betr. die 
zurückgebliebenen Ausländer. 
Der deutsche Generalkonsul in Paris berichtete darüber nach seiner 
Rückkehr nach Berlin: Die in Paris und den Vororten am Abend des ersten 
französischen Mobilmachungstages, d. i. des 2. August, zurückgebliebenen 
Deutschen, Oesterreicher und Ungarn, ohne Unterschied des Geschlechts und 
Alters mußten sich am 3. August bei dem für ihre Wohnung oder ihr Hotel 
uständigen Polizeibüüro unter Vorweisung von Ausweispapieren melden. 
Veder bekam von dem Polizeibüro eine schriftliche Anweisung, sich an einem 
bestimmten Tage — vielfach war es schon der drittfolgende Tag, in anderen. 
Fällen waren es spätere Tage — auf einem bestimmten Bahnhof einzufinden, 
um mit einem bestimmten Zuge und höchstens 30 Kilogramm Gepäck nach 
vorläufigen Unterkunftskolonien in Mittel-, West- und Südfrankreich verbracht 
zu werden. Dort wollte der französische Staat ihnen Obdach und Nahrung 
gewähren und geeignetenfalls von ihnen Arbeit verlangen. Soviel bekannt 
geworden, sind für diese Unterkunftskolonien landwirtschaftliche, in gesundheit- 
licher Beziehung unbedenkliche Orte bestimmt worden. Nach einiger Zeit, 
voraussichtlich nach Ablauf der Mobilmachungszeit, also frühestens nach noch 
etwa 14 Tagen, können die Verbrachten verlangen, mit der Eisenbahn auf 
Staatskosten an die Grenze eines von ihnen gewählten neutralen Staates 
(Schweiz, Spanien und vorläufig Italien) befördert zu werden oder sich 
nach einem anderen Orte in Frankreich begeben zu dürfen, den sie sich aus 
einer ihnen vorzulegenden, beschränkten Ortsliste wählen können. Deutsche, 
die seit langen Zeiten ihren Wohnsitz in Frankreich haben, besonders wenn 
sie mit Französinnen verheiratet sind, und die sich auf Freundschaft mit an- 
gesehenen Franzosen berufen und von ihnen ein Zeugnis über stets bewiesene 
Wohlgesinntheit für Frankreich vorweisen können, sollen Aussicht haben, Pässe 
zum Verlassen des Landes auf eigene Rechnung oder die alsbaldige Erlaubnis 
zum Aufenthalt an einem von ihnen gewählten west-, mittel= oder süd- 
fran zösischen Orte zu erhalten. Die in Foris zurückgebliebenen Angehörigen 
anderer Staaten mußten sich am 4. und 5. August mit Ausweispapieren 
auf der Polizei melden und sollten daraufhin die Erlaubnis zur Beibehal- 
tung ihrer Wohnung und zum weiteren Aufenthalt in Paris erhalten. Zum 
Berlassen von Paris bedürfen sie eines besonderen Passierscheines des Polizei- 
kommissars. Seit dem Abend des 2. August darf kein Ausländer, einerlei 
welchem Staate er angehört, Frankreich auf dem Land= oder Seewege ohne 
einen Paß der Präfektur verlassen. 
1. August. Abends. Grenzverletzungen durch französische Truppen 
beim Schluchtpaß (Vogesen). 
2. August. Einberufung der Kammer. 
2. August. Umbildung des Kabinetts. 
Viviani bleibt Ministerpräsident, Doumergue übernimmt das Aeußere, 
Augagneur die Marine, Sarraut das Unterrichtswesen. Generalissimus wird 
General Joffre.
	        
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