688 Erankreih. (August 29.—September 3.)
29. August. Das neue Ministerium erläßt folgenden von allen
Ministern unterzeichneten Aufruf an die Bevölkerung:
Franzosen! Die Regierung hat von ihrem Kampfplatz Besitz genommen.
Das Land weiß, daß es auf ihre Wachsamkeit und Energie zählen kann
es weiß, daß ihr ganzer Geist dem Lande gilt. Die Regierung weiß, daß
sie auf das Land zählen kann. Seine Söhne vergießen ihr Blut für Vater-
land und Freiheit an der Seite der heldenmütigen Armee Englands und
Belgiens. Sie halten ohne Zittern den furchtbarsten Sturm von Eisen und
Feuer aus, der je ein Volk überschüttet hat. Alle bleiben aufrecht. Ruhm
den Lebenden und Ruhm den Toten! Die Menschen fallen, aber die Nation
bleibt bestehen. Der endgültige Sieg ist gesichert! Ein sicher großer, aber
nicht entscheidender Kampf beginnt. Wie auch der Erfolg sein wird, der
Krieg wird fortdauern. Frankreich ist nicht eine leichte Beute, wie es sich
ein unduldsamer Feind eingebildet hat. Franzosen! Die Pflicht ist tragisch,
aber einfach: den Eindringling zurückzuwerfen, ihn zu verfolgen und unseren
Boden von seiner Gegenwart und die Freiheit von seinen Fesseln zu befreien
und auszuhalten bis zum Möglichsten, bis zum Aeußersten auszuhalten,
falls nötig bis zum Ende, unsern Geist und unsere Herzen zu erheben
über die Gefahr hinaus, Herr unseres Geschicks zu bleiben. Während dieser
Zeit marschieren unsere Verbündeten, die Russen, mit entschlossenen Schritten
auf die Hauptstadt des Deutschen Reiches, die von Angst beherrscht zu
werden beginnt, und bringen den Truppen, die sich zurückziehen, viele
Niederlagen bei. Wir werden vom Lande alle Opfer, alle Hilfskräfte ver-
langen, die es an Menschen und Kraft geben kann. Seien wir daher fest
und entschlossen! Das nationale Leben, unterstützt von finanziellen und
administrativen Maßnahmen, wird nicht unterbrochen. Laßt uns Vertrauen
haben zu uns selbst und alles vergessen, was nicht das Vaterland betrifft.
Wenden wir das Gesicht gegen die Grenze! Wir haben die Methode und
den Willen und werden siegen.
30. August. Die „Nordd. Allgem. Ztg.“ veröffentlicht folgende
Feststellung betr. den Gebrauch von Dum-Dum-Geschossen.
In Longwy hat man eine maschinelle Einrichtung, um Hohl- und
Bleispitzengeschosse herzustellen, und in den Taschen französischer und eng-
lischer Soldaten bereits zahlreiche derartige Geschosse gefunden. Deutschland
sieht sich genötigt, mit den allerschärfsten Maßregeln vorzugehen, wenn
diese durch das Völkerrecht (vgl. insbesondere Artikel 23 Absatz 1e der
Haager Landkriegsordnung) verbotenen Geschosse von unsern Feinden noch
weiter verwandt werden sollten.
31. August. Aufgebot der Reserve.
Offiziell wird bekanntgegeben, daß Kriegsminister Millerand be-
schlossen hat, die Jahresklasse 1914, die Reserve des aktiven Heeres und
die älteren Klassen der Territorialarmee, die bisher zurückgestellt waren,
einzuberufen.
31. August. Admiral Boué de Lapeyrdre wird zum Ober-
kommandierenden der vereinigten französischen und englischen Mittel-
meerflotte ernannt.
3. September. Die Regierung und die diplomatischen Missionen
siedeln nach Bordeaux über. General Gallieni und Justizminister
Briand bleiben als Regierungsvertreter in Paris zurück.