696 frankreich. (Oktober 16.—25.)
16. Oktober. Die Lage der französischen Katholiken.
Auf eine Petition der französischen Katholiken wegen Abhaltung von
offiziellen Gebeten hat Ministerpräsident Viviani bei der letzten Sitzung
des Ministerrats erklärt, daß alle Gottesdienste frei seien, wenn sie den
durch das Gesetz vorgeschriebenen Bedingungen entsprächen. Dieses Gesetz
verbietet die Einmischung der einzelnen Religionsgemeinschaften in die Maß-
nahmen der Behörden. Der Ministerrat hat diese Antwort gutgeheißen.
Das katholische Blatt „La Croix“ bemerkt hierzu: Wir bedauern, daß die
Gesetzgebung offizielle Gebete verbietet, oder daß man die Konzession jeden-
falls so auslegt; wenn es so ist, dann ist der einzige Schluß, den man
daraus ziehen kann, der, daß die Katholiken, welche beten, und das ist
sicher im Augenblick die Mehrzahl im Lande, jetzt handelnd auftreten müssen,
um einen Zustand, der mit dem Naturrecht im Widerspruch steht, zu ändern.
Wir behaupten weiter, daß die Regierung sich, ohne offizielle Gebete zu
pflegen, bei den Zeremonien, die einen nationalen Charakter tragen, ver-
treten lassen sollte.
WB3. Oktober. Zum Wirtschaft krieg.
Der „Matin“" meldet: Der Justizminister hat bestimmt, daß der
Erlaß über die Schließung österreichischer und deutscher Firmen in Frank-
reich, sowie über die Beschlagnahme ihres Eigentums auf alle, auch die
nicht handeltreibenden, Oesterreicher und Deutschen ausgedehnt werden soll,
die ihren Wohnsitz in Frankreich haben. Die Liquidation der bisher ge-
schlossenen und beschlagnahmten Firmen wird durch gerichtliche Liquidatoren
oder unter Aufsicht der Domänenverwaltung durchgeführt.
25. Oktober. Der „Temps“ über die Frage der Rückkehr der
Behörden nach Paris.
Das Blatt führt u. a. aus: Es gibt zwei Strömungen, die Büro-
kratie der Kammern ist noch mehr für die Rückkehr als die Ministerien
und betreibt sie allgemein. Die Minister der nationalen Verteidigung machen
in dieser Frage weise Vorbehalte. Wir haben heute die moralische Gewiß-
heit, daß die Deutschen ihren Vormarsch nicht werden wiederaufnehmen
können, jedoch haben wir in dieser Beziehung keine materielle Gewißheit.
was auch im Innersten unsere Ueberzeugung sein möge. Die Communiqués
lassen nur zu gut erkennen, daß an einigen Punkten der Schlachtlinie der
Feind gegen die Unfrigen nur in einer Entfernung von ungefähr 100 Kilo-
meter vor Paris kämpft. Die Rückkehr der Regierung und der Kammern
würde die aggressive Tätigkeit der Deutschen zweifellos noch erhöhen, und
sie würden besonders ihre Unternehmungen im Luftwege verdoppeln; zudem
würde die Anwesenheit der Regierungsbehörden die Verantwortlichkeit des
Militärgouverneurs steigern und den General Joffre in seinen Entschei-
dungen beeinflussen. Darf man das diplomatische Korps zur Rückkehr
auffordern, ehe jeder Offensivrückstoß völlig unmöglich geworden ist? Auch
Gründe der innern Politik sprechen dagegen. Gewisse Minister sind da
besonders empfindlich; insbesondere diejenigen, die in ihren Amtsgeschäften
mehr den Agitationen der parlamentarischen Welt unterliegen. Wie sollen
diese indifferent bleiben, bei den ständigen Sonderversammlungen der Pariser
Deputierten, die eine Art von kleinem Parlamente bilden würden und sich
bald hier, bald dort versammeln, um dann ihre Wünsche und Beschlüsse,
die unter ziemlich anormalen Bedingungen zustande gekommen waren, an
die Regierung zu telegraphieren. Heute sind es noch einfache Wünsche,
morgen vielleicht schon Resolutionen und Forderungen, die sich in mehr
oder weniger befehlshaberischer Weise darstellen werden. Viele Abgeordnete,