Full text: Europäischer Geschichtskalender. Neue Folge. Dreißigster Jahrgang. 1914. Zweite Hälfte. (55b)

698 Fkrantreich. (November 3.—8.) 
nützen würden. Zudem wies der Vorschlag der osmanischen Regierung für 
die Regierungen des Dreiverbandes dieselben Nachteile auf wie ein offener 
Krieg, da er sie nötigte, einen Teil ihrer Streitkräfte abzulenken, um sich 
gegen Angriffe zu sichern, die als eine eingebildete Gefahr zu betrachten 
ihnen nicht mehr erlaubt sein konnte. Da die osmanische Regierung durch 
die Entlassung der deutschen Offiziere den verlangten Beweis für die Auf- 
richtigkeit ihrer Absichten nicht geben zu können glaubte, forderten gemäß 
den Weisungen ihrer Regierungen nacheinander die Botschafter Rußlands, 
Frankreichs und Großbritanniens vom Großwesir ihre Pässe. Dieser Schritt 
erfolgte am 31. Oktober morgens. Infolge dieses diplomatischen Druckes 
haben die Botschafter die Türkei verlassen. Die Interessen der Franzosen 
in der Türkei befinden sich in der Hut des Botschafters der Vereinigten 
Staaten von Amerika; diejenigen der Franzosen in Palästina sind dem 
Vertreter Spaniens anvertraut. Die aus Algerien, Tunesien und Marokko 
nach dem türkischen Angriff eingegangenen Nachrichten beweisen, daß die 
mohammedanische Welt von Nordafrika sehr wohl erfaßt hat, welchen 
Irrtum und Fehler die Hohe Pforte begangen hat, indem sie die Staats- 
hoheit und Unabhängigkeit eines mohammedanischen Reiches zugunsten 
Deutschlands preisgab. Letztere Macht verfolgt tatsächlich nur selbst= und 
herrschsüchtige Zwecke und will einen beträchtlichen Teil des Islams in 
einen Kampf hineinziehen, der ihm nur verderblich werden kann. Aus den 
aus Nordafrika erhaltenen Eindrücken ergibt sich, daß die mohammeda- 
nische Welt in keiner Weise Gemeinschaft mit der Türkei haben will, welche 
die Sache des Islams so waghalsig gefährdet. 
3. November. Zur Finanzlage. 
Die Einnahmen aus Zöllen im Monat Oktober weisen eine Ver- 
minderung von 6782 402 Franken gegen den Oktober 1913 und um 6912352 
Franken gegen den Voranschlag auf. Seit dem 1. Januar 1914 sind die 
Ergebnisse um 16229271 Franken gegen das Vorjahr und um 17554343 
Franken gegen den Voranschlag zurückgeblieben. 
4. November. (Bordeaux.) Darlehen an fremde Regierungen. 
Der Ministerrat ermächtigt den Finanzminister, auf Rechnung eines 
besondern Kontos für Darlehen an fremde Regierungen oder Anstalten 
folgende Posten zu setzen: Darlehen an die belgische Regierung 250 Millionen, 
an die serbische Regierung 90 Millionen, an die Bank von Montenegro 
500000 Franken, zusammen 340¼ Millionen Franken. 
6. November. Frankreich erklärt an die Türkei den Krieg. 
Der Minister des Auswärtigen veröffentlicht folgende Note: Die 
feindlichen Akte, welche die türkische Flotte sich gegen ein französisches 
Handelsschiff zuschulden kommen ließ und durch die der Tod von zwei 
Franzosen und schwere Beschädigungen des Schiffes verursacht wurden, 
ohne daß die Entfernung der deutschen Militär- und Marine-Mission er- 
folgt wäre, durch die allein die Pforte sich von ihrer Verantwortlichkeit für 
diese Akte hätte entlasten können, machen es der französischen Regierung 
zur Pflicht, zu erklären, daß durch dieses Vorgehen der türkischen Regie- 
rung der Kriegszustand zwischen Frankreich und der Türkei eingetreten ist. 
8. November. (Bordeaux.) Ein Regierungserlaß ermächtigt 
die Stadt Paris zur Ausgabe von 120 Millionen Franken Stadt- 
obligationen in Stücken von 100, 500 und 1000 Franken. Die Lauf- 
zeit beträgt ein Jahr, die Zinsen sollen 6 Prozent nicht überschreiten.
	        
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