Full text: Europäischer Geschichtskalender. Neue Folge. Dreißigster Jahrgang. 1914. Zweite Hälfte. (55b)

Frankreich. (Dezember 1.—4.) 701 
die Antwort. Die Angaben des Blaubuches über die Beteiligung Englands 
an den Verhandlungen sind durch das französische Gelbbuch bestätigt. Hatte 
England Deutschland nie darüber im Zweifel gelassen, daß es im Falle 
einer Verallgemeinerung des Konfliktes in diesen eingreifen würde, so hatte 
es doch gegenüber Frankreich keine bestimmten Verpflichtungen übernommen. 
Es bedurfte der Verletzung der belgischen Neutralität, um es zum Eintritt 
in den Kampf zu veranlassen. Die im Anhange beigegebenen Schriftstücke 
heben die Haltung Englands hervor und die Bemühungen Deutschlands, 
sich die Neutralität Englands zu erkaufen und später seine Bemühungen, 
Rußland zu isolieren, indem es durch England die Neutralität Frankreichs 
garantieren lassen wollte. Das Gelbbuch bestätigt das Orangebuch durch 
die Veröffentlichung der zwischen dem deutschen und dem russischen 
Kaiser gewechselten Telegramme, aus denen sich ein Eindruck er- 
gibt, der dem durch das deutsche Weißbuch erweckten genau entgegengesetzt 
ist. Wilhelm II. hatte als Erster versucht, seinen persönlichen Einfluß auf 
den Zaren geltend zu machen, damit dieser Serbien preisgebe. Nikolaus lI. 
erwiderte, indem er Wilhelm II. bat, in Wien zu intervenieren; aber der 
Kaiser zeigte sich diesem Vorschlage nicht geneigt und suchte nur den Zaren 
zu bewegen, der Vernichtung Serbiens zuzustimmen, oder aber die Ver- 
antwortung für den Krieg auf Rußland zu schieben. Während der Zar 
sein Ehrenwort gab, daß die russischen Truppen während der Verhandlungen 
mit Oesterreich untätig bleiben sollten, weigerte sich der Deutsche Kaiser, die 
nämliche Verpflichtung auf sich zu nehmen und forderte den Zaren auf, 
zu demobilisieren. Das letzte Kapitel bringt die am 4. September in London 
unterzeichnete Erklärung, worin Rußland, Frankreich und England sich 
feierlich verpflichten, keinen Sonderfrieden zu schließen und den Kampf nicht 
vor der endgültigen Vernichtung des preußischen Militarismus und den 
Triumph des Rechtes über die brutale Gewalt einzustellen. Die Analyse 
schließt mit folgendem Satze: Der allgemeine Eindruck, den das Gelb- 
buch erweckt, ist, daß die gegenwärtige Krisis eine Folge sei der schroffen 
Politik Deutschlands, das seit zehn Jahren seine Vorherrschaft zu sichern, 
Rußland zu erniedrigen, der Tripleentente entgegen zuwirken und, falls 
diese Ziele nicht erreicht werden sollten, den Krieg herbeizuführen bestrebt 
gewesen sei. 
1. Dezember. In den von den Deutschen besetzten Departe- 
ments werden deutsche Zivilverwaltungen eingesetzt. 
1. Dezember. Der Kriegsminister gibt bekannt, daß nahezu 
der gesamte Bestand der Altersklasse 1915 der Infanterie ein- 
verleibt werde. 
1. Dezember. Präsident Poincaré, Viviani und Joffre treffen 
mit König Georg im englischen Hauptquartier zusammen. 
2. Dezember. Der Pariser „Herald“ meldet: Die Regierung 
hat auf Vorstellung des amerikanischen Botschafters die Akten des 
Kriegsgerichtes Paris im Prozeß gegen die deutschen Militärärzte 
und Krankenpfleger eingefordert. 
4. Dezember. (Bordeaux.) Präsident Poincaré empfängt 
den neuen amerikanischen Botschafter Sharp, der sein Beglaubigungs- 
schreiben überreicht.
	        
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