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lung der italienischen Handels= und Verkehrstätigkeit zugunsten
des Friedens zum Zwecke setzt.
30. November. (Rom.) Der schweizerische Gesandte, Dr. J.
B. Pioda, k. (Über seinen Nachfolger s. Schweiz, 17. Dezember.)
3. Dezember. (Kammer.) Beginn der Tagung. Minister-
präsident Salandra entwickelt sein Programm.
Er führt aus: Dem Ministerium, das sich heute Ihnen vorstellt,
ist sein Arbeitsprogramm unmittelbar durch die Notwendigkeit auferlegt,
weil es in diesem kritischen Augenblick der Geschichte die Geschicke des
Landes zu lenken hat. Während die durch wiederholte Beweise ihres Ver-
trauens gestärkte Regierung daran ging, nützliche Verwaltungs-, Steuer-
und Sozialreformen vorzubereiten, brach ohne irgendeine Teilnahme oder
ein Einverständnis von unserer Seite plötzlich und sehr schnell der Streit
aus, den wir zum Schutze des Friedens und der Zivilisation vergeblich zu
beschwören trachteten. Die Regierung mußte erwägen, ob die Vertrags-
bestimmungen uns zur Teilnahme zwangen. Aber die gewissenhafteste Prü-
fung des Buchstabens und Geistes der bestehenden Vereinbarungen und die
Kenntnis der Ursprünge und des augenscheinlichen Endzwecks des Streites
brachten uns zu der loyalen und sichern Ueberzeugung, daß wir nicht ver-
pflichtet waren, an ihm teilzunehmen. Da wir dergestalt jeder andern Er-
wägung enthoben waren, so empfahl uns eine unbefangene und freie Be-
urteilung dessen, was die Wahrung der italienischen Interessen erforderte,
unverzüglich unsere Neutralität zu erklären. Dieser Entschluß war so, daß
man sich auf leidenschaftliche Erörterungen und verschiedenartige Beurtei-
lungen gefaßt machen mußte. Aber später begann allmählich in Italien
und außerhalb die feste und allgemeine Ueberzeugung vorzuherrschen, daß
wir unser Recht ausübten und in richtiger Weise beurteilten, was am
besten den Interessen der Nation entsprach. Indessen genügte die frei ver-
kündete und loyal beobachtete Neutralität nicht, um uns gegen die Folgen
der ungeheuern Umwälzung zu schützen, die jeden Tag größer werden und
deren Ende von niemandem abgesehen werden kann. In den Ländern und
Meeren des alten Erdteils, dessen politische Gestaltung vielleicht im Begriffe
ist, sich zu ändern, besitzt Italien vitale Interessen, die es zu schützen, und
gerechte Ansprüche, die es zu bekräftigen hat. Es muß seine Stellung als
Großmacht behaupten und sie nicht nur unversehrt erhalten, sondern auch
so, daß sie nicht durch die möglichen Vergrößerungen anderer Staaten
relativ gemindert wird. Daher mußte und wird notwendigerweise unsere
Neutralität keine untätige und lässige, sondern eine tätige und wach-
same sein, nicht eine ohnmächtige, sondern eine stark gewappnete, die jeder
Möglichkeit gewachsen ist. Demgemäß war und ist die höchste Sorge der
Regierung vollständige Vorbereitung von Armee und Marine. Um sie durch-
zuführen, ist sie nicht davor zurückgescheut, die schwere Verantwortlichkeit
für weitere Ausgaben und für eine gewisse Abänderung der militärischen
Organisation zu übernehmen. Die Erfahrung aus der Geschichte und noch
mehr aus den gegenwärtigen Ereignissen muß uns überzeugen, daß, wenn
die Herrschaft des Rechts aufhört, die Kraft allein die Bürgschaft für das
Wohlergehen eines Volkes bleibt, die organisierte und mit allen kostspieligen
und vollendeten technischen Verteidigungsmitteln ausgerüstete menschliche
Kraft. Wenn auch Italien nicht das Ziel hat, irgendjemand mit Gewalt
zu unterdrücken, muß es sich doch so gut wie möglich und mit der größten
Stärke organisieren und rüsten, damit es nicht früher oder später selbst