Full text: Europäischer Geschichtskalender. Neue Folge. Dreißigster Jahrgang. 1914. Zweite Hälfte. (55b)

Italien. (Dezember 9.—14.) 735 
Maßnahmen gewährt werde, Maßnahmen, die teils erst kürzlich angenommen 
worden, teils in dem zur Besprechung stehenden Gesetzentwurf über die 
Bewilligung weiterer sechs Budgetzwölftel an die Regierung enthalten seien. 
Die Vermehrung der Einnahmen werde voraussichtlich ungefähr 100 Mil- 
lionen betragen. Er bitte um die Ermächtigung, gegebenenfalls den Kredit 
in Anspruch zu nehmen. Das Budget 1915,16 zeige einen Aktivsaldo von 
ungefähr 46 Millionen; er glaube, daß man ein solides Gleichgewicht durch 
Ersparnisse und Vereinfachungen in der Verwaltung werde sicherstellen 
können. Es seien Kredite in Höhe von 222 Millionen für öffentliche Ar- 
beiten gewährt worden, um für die zurückgekehrten Auswanderer und die 
Arbeitslosen sorgen zu können. Er weist sodann hin auf die ausgezeichnete 
Lage der Depositenkassen und Sparkassen. Weiter hebt er hervor, daß die 
Tätigkeit und das Vertrauen wiederkehren und daß das nationale Wirt- 
schaftsleben in fühlbarer Weise sich zu bessern beginne. 
9. Dezember. Erste Kompensationsforderung Italiens an 
Österreich-Ungarn. 
Der Minister des Aeußern Sonnino beauftragt den italienischen 
Botschafter in Wien, Herzog von Avarna, der österreichischen Regierung 
mitzuteilen, daß der Einmarsch Oesterreich-Ungarns in Serbien eine Hand- 
lung darstelle, die zwischen den beiden Regierungen geprüft werden müsse 
mit Bezug auf Artikel 7 des Dreibundvertrages, der für die österreichisch- 
ungarische Regierung die Verpflichtung zu Kompensationen selbst für eine 
nur zeitweilige Besetzung aufstelle. Auf diese Erklärung erwidert der Mi- 
nister des Aeußern Graf Berchtold, der Krieg gegen Serbien sei kein An- 
griffs-, sondern ein Verteidigungskrieg und deshalb sei nach seiner Ansicht 
nicht der Fall gegeben, im Augenblick zu einem Meinungsaustausch mit 
Italien zu schreiten. (Vgl. das am 20. Mai 1915 ausgegebene italienische 
„Grünbuch“ Nr. 1, 3 und das am 25. Mai 1915 ausgegebene österreichisch- 
ungarische „Rotbuch“ Nr. 74, 75.) 
11. Dezember. (Kammer.) Der Gesetzentwurf über die 
Bewilligung von sechs provisorischen Budgetzwölfteln bis zum 
30. Juni 1915 und die damit in Zusammenhang stehenden Finanz- 
maßregeln werden mit 260 gegen 45 Stimmen angenommen. 
12. Dezember. (Kammer.) Das Haus vertagt sich bis zum 
18. Februar 1915. 
14. Dezember. (Senat.) Erörterung der Regierungserklärung. 
Alle Redner sprechen dem Kabinett Salandra das Vertrauen aus 
und billigen die Neutralitätserklärung. Prof. Barzelotti erklärt im be- 
sonderen, er billige die Erklärungen der Regierung, die gleich weit entfernt 
von einer absoluten Neutralität wie von einem Krieg um jeden Preis sei, 
und wünsche, daß in einem günstigen Augenblick Italien eingreifen werde, 
nicht mit den Waffen, sondern durch eine mächtige und drohende Anregung 
zum Frieden, um zu verhindern, daß die Umwandlung der frühern geo- 
graphischen und politischen Gestaltung sich zu seinem Nachteil entwickele. 
Er fügt hinzu, daß, wenn einerseits der siegreiche Vormarsch Oesterreich- 
Ungarns auf dem Balkan die Interessen Italiens schädigen werde, ander- 
seits unbestreitbar sei, daß bei der Vernichtung der Zentral-Kaisermächte 
das Adriatische Meer ein flawisches und das Mittelländische Meer ein 
englisch-französisches Meer werde. Um die Gefahren des Heraustretens aus 
der Neutralität zu kennzeichnen, genüge es, auf die Anhänger einer Inter-
	        
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