Ramisqe Anrie. (Mai 27. —Juli 11.) 739
weithin Gesellschaftsklassen gegen Gesellschaftsklassen, Stände gegen Stände
und Völker gegen Bölker sich erheben sehe, und diese Rivalität, die Tag
um Tag bitterer werde, oft und plötzlich in schreckliche Kämpfe ausarte.
Es seien angesehene und sehr ernste Männer an der Arbeit, welche die
Sache der Nationen und der menschlichen Gesellschaft im Auge hätten und
gemeinsam an den Ideen und an den Mitteln arbeiteten, um das Unglück
der inneren Unruhen und der Kriegsgreuel zu vermeiden und sowohl im
Innern wie nach außen andauernd die Wohltaten eines fruchtbaren Friedens
zu fördern. Diese Absicht sei vorzüglich, aber es würde sich dabei nur um
wenig fruchtbare Beratungen handeln, wenn man nicht zugleich durch die
Tat dafür sorgte, daß die Lehren christlicher Gerechtigkeit und Barmherzig-
keit tiefe Wurzeln im Gemüte der Menschen schlügen.
27. Mai. (Rom.) Inthronisation der neuernannten Kardinäle,
darunter des Erzbischofs von Köln, Hartmann, des Erzbischofs von
München, Bettinger, des Fürstbischofs von Wien, Piffl.
In seiner Ansprache betont der Papst, die Kirche zähle auf die
Hilfe der Kardinäle, um den Angriffen widerstehen zu können, deren Gegen-
stand sie sei, nicht nur von seiten ihrer offenen Feinde, sondern auch seitens
ihrer Söhne. Es sei nötig, über dem heiligen Schatz der Kirche zu wachen,
um sie unberührt und rein zu erhalten. Inmitten so vieler Gefahren, sagt
der Papst, habe ich niemals versäumt, das Leben vorzuzeichnen, das ein
Christ führen soll, indem ich auf die Schäden hinwies. Aber mein klares
und deutliches Wort ist nicht immer vernommen und richtig ausgelegt
worden; im Gegenteil war die Zahl derjenigen nicht gering, die sich nicht
vor willkürlicher Auslegung der Worte des Papstes scheuten. Da bedarf
ich Eurer Mitarbeit, sowohl in den Diözesen, als in der Kurie und in
den Kongregationen, denn kraft der Würde, zu welcher Ihr erhoben
worden seid, sollt Ihr zuvorderst unter den Verteidigern der Wahr-
heit stehen. Prediget es aller Welt, besonders aber den Gläubigen, daß
nichts dem Herrn und daher auch seinem Statthalter so mißfällt, wie
Zwiespalt in der Lehre; denn Satanas kann alles dabei gewinnen und
zieht seinen Nutzen daraus. Treffet Vorsorge, daß die Priester in nicht
zu lebhaftem Verkehr mit Leuten stehen, deren Glaubenstreue verdächtig
ist, verhindert die Lektüre nicht nur der ganz schlechten Zeitungen, sondern
auch derjenigen, welche nicht die volle Billigung der Kirche haben.
Wenn Ihr Leute trefft, die sich ihres Glaubens und ihrer Ergebenheit für
den Papst rühmen, aber es ablehnen, sich klerikal nennen zu lassen, so sagt
ihnen, ergebene Söhne des Pontifex seien diejenigen, die ihm und seinem
Willen gehorchten. Höret nicht auf, immer von neuem zu sagen, daß der
Popst die katholischen Gesellschaften liebe, die das materielle Wohl ihrer
Mitglieder zum Zwecke haben, aber saget auch, daß der Papst erklärt habe,
das geistliche Wohl müsse bei ihnen immer an erster Stelle stehen. Kon-
fessionell gemischte Vereinigungen und Bündnisse mit Nichtkatholiken sind
erlaubt, aber der Papst bevorzugt die Vereinigungen, die sich um die Fahne
drängen, die ruhmreicher ist als alle anderen, nämlich die der Kirche. Das
ist das Feld, auf dem Ihr Euren Eifer betätigen sollt. Bittet Gott, der
alle, die an ihn glauben, aufnimmt, uns zu inspirieren und uns Eintracht
zu geben, damit alle Katholiken geeinigt werden.
11. Juli. (Rom.) Der preußische Gesandte von Mühlberg
überreicht als Geschenk Kaiser Wilhelms dem Papst eine Nach-
bildung des Feldzeichens Konstantins d. Gr.
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