746 Schweiz. (Juli 11.—August b.)
11. Juli. (Bundesrat.) Die Leitung der schweizerischen
Bundesbahnen schlägt dem Bundesrat eine Neuregelung der Tarif-
verhältnisse der Gotthardbahn vor.
Für den Personenverkehr werden an Stelle der Gotthardbahnsätze
die Tarife der schweizerischen Bundesbahnen, die für die Rückfahrtkarten
niedriger sind, angenommen. Der Zuschlag von 60 Prozent für die Berg-
strecken bleibt unverändert. Im Gepäckverkehr wird dagegen der Berg-
uschlag von 100 auf 60 Prozent ermäßigt. Diese Ermäßigung gilt auch
für den gesamten Durchgangsverkehr über die Gotthardbahn. Der Distanz-
zuschlag für die Bergstrecken erfährt die gleiche Ermäßigung. Im Güter-
verkehr wird der Distanzzuschlag für die Bergstrecken von 60 auf 38 Prozent
bis 1. Mai 1920 und auf 29 Prozent vom 1. Mai 1920 ab herabgesest.
Mit Ausnahme des Verkehrs der Tessiner Stationen mit Luzern, Immensee
und Zug werden auch für den Güterverkehr die Taxgrundlagen der schweize-
rischen Bundesbahnen angenommen.
31. Juli. (Bundesrat.) Anordnung der Pikettstellung der
ganzen Armee.
1. August. (Bundesrat.) Beschluß der allgemeinen Mobil-
machung.
3. August. (Bundesversammlung.) Einstimmig wird be-
schlossen, in den bevorstehenden kriegerischen Ereignissen vollkommene
Neutralität zu bewahren.
Ferner wird einstimmig die Vorlage betreffend die Ausgabe von
Fünffranken-Nationalbanknoten, die gesetzmäßig durch Metallgeld zu 40
und durch Staatsschuldverschreibungen zu 60 Prozent gedeckt sind, genehmigt
und dem Bundesrat unbeschränkte Vollmacht gegeben, alle Maßnahmen zu
ergreifen, die für die Erhaltung der Sicherheit, Integrität und Neutralität
der Schweiz, zur Wahrung des Kredites und der wirtschaftlichen Interessen
des Landes, insbesondere auch zur Sicherung des Lebensunterhaltes der
Bevölkerung, erforderlich werden.
Zum General der eidgenössischen Armee wird mit 122 gegen 63 Stimmen,
die auf Sprecher v. Bernegg fallen, der bisherige Kommandant des 3. Armee-
korps, Ulrich Wille, gewählt.
Der Mailänder „Secolo“ bemerkt: Die Wahl des schweizerischen
Oberbefehlshabers, die entgegen den gehegten Erwartungen ausgefallen ist,
zeigt deutlich den Einfluß, den Deutschland unzweifelhat auf die Berner
Regierung ausgeübt hat. Die Schweizer Presse erklärt demgegenüber die
Ausführung des „Secolo“ als verwerfliche politische Brunnenvergiftung.
Die Wahl Willes sei ausschließlich aus militärischen Erwägungen und rein
sachlichen Gründen erfolgt.
5. August. (Bundesrat.) Erlaß an das Schweizervolk.
Getreue, liebe Eidgenossen! An unseren Grenzen tobt der Krieg.
Wir haben unsere Armee zu den Waffen gerufen; am 1. August, dem Jahres-
tag der Gründung der schweizerischen Eidgenossenschaft, trug der Telegraph
das Aufgebot in die entlegensten Dörfer und Weiler des Landes. Wir
werden die kraft des freien Bestimmungsrechtes des Volkes gewählte Richt-
linie unserer Politik getreu unseren Traditionen und dem Sinne der inter-
nationalen Verträge einhalten und daher vollständige Neutralität bewahren.
Bundesversammlung und Bundesrat sind entschlossen, für die Aufrecht-