766 Belgien. (November 18. -28.)
18. November. Das holländische „Vas Diazsche Bureau“ ver-
öffentlicht eine Rede, die der belgische Kriegsminister de Broqueville
im Jahre 1913 in geheimer Sitzung der Abgeordnetenkammer bei
der Beratung der Heeresordnung gehalten hat.
Der Minister sagte: Ich habe diese geheime Sitzung veranlaßt, weil
ich Ihnen einige Aufklärungen zu geben habe, die in diesem Augenblick
nicht für die öffentliche Bekanntgabe bestimmt sind. Der Ursprung unseres
Gesetzentwurfs liegt in dem Wesen des deutschen Gesetzes vom 14. Juli 1912.
Dieses Gesetz bedeutet die größte Kraftanspannung, die Deutschland sich
seit 1870 aufgelegt hat. Dieses Land wird für sein erstes Aufgebot
300000 Mann mehr zur Verfügung haben als Frankreich. Während des
letzten Sommers haben wir vernommen, daß diese Vermehrung bezwecke,
die deutsche Armee durch Belgien vordringen zu lassen. Wir haben dies
von verschiedenen Mächten erfahren. Unsere Beunruhigung wurde noch
dadurch vermehrt, daß unsere Pläne bekannt gegeben wurden. Wir wollten
infolgedessen den Grund der Dinge erkunden. Der Minister verlas darauf
mehrere Berichte über die Eisenbahnen um Elsenborn, über die Möglichkeit
für Deutschland, in einer einzigen Nacht durch Märsche von drei Stunden
50000 Mann nach Belgien zu werfen. Wir müssen uns daher vor Deutsch-
land hüten. Was Frankreich angeht, so möchte ich daran erinnern, daß
Maubeuge als Festung abgesetzt wird, Lille dagegen nicht, daß auf unserer
Südgrenze neue Forts errichtet werden und die französische Regierung die
Zahl der Regimenter der Kavallerie und der Infanterie vermehrt hat.
Ich befürchte keine Vergewaltigung unserer Unabhängigkeit durch Frank-
reich, stelle jedoch fest, daß der französische Staat die Voraussetzung eincs
Durchmarsches durch Belgien hat prüfen müssen, für den Fall, wo unser
Gebiet durch Deutschland nicht geachtet würde. Um allen Verletzungen
zuvorzukommen, müssen wir uns vorbereiten und uns nach beiden Seiten
hin beeilen. Mehrere Mächte haben uns zu erkennen gegeben, daß wir
nicht mehr in der Lage seien, die Pflicht der Selbstverteidigung zu erfüllen.
Die größte Gefahr läge darin, daß fremde Mächte sich auf unserm Gebiet
festsetzten, um uns zu beschützen. Diese Warnung wurde uns durch mehrere
Staatlshäupter gegeben, und noch im Juli dieses Jahres hat ein Freund
Belgiens, ein Staatshaupt, unserm König deutlich erklärt: „Ich gebe Bel-
gien den freundlichen Rat, seine Selbstverteidigung ernstlich vorzubereiten,
denn das Wunder von 1870, wo Belgien zwischen den beiden feindlichen
Heeren unversehrt blieb, wird sich nicht mehr verwirklichen.“ Angesichts
der Aufeinanderhäufung von Tatsachen und Erkundungen haben wir nicht
mehr zweifeln dürfen. Die militärische Lage ist zu einem der Elemente des
Friedens geworden. Diese Beurteilung wurde uns auf diplomatischem Wege
zur Kenntnis gebracht, und unfre Pflicht war zum ersten Male klar und deut-
lich verzeichnet. Sie ging dahin, uns an unsere militärischen Behörden zu
wenden, die uns die in unserm Gesetzentwurf niedergelegte Antwort erteilten.
Der Minister nannte den Namen jenes Staatshauptes nicht. Das
Bureau erklärt sich ermächtigt, mitzuteilen, daß es sich um den verstorbenen
König von Rumänien handelte.
24. November. Die „Norddeutsche Allgemeine Zeitung“ ver-
öffentlicht neues Material aus dem Archive des belgischen Kriegs-
ministeriums. (Siehe S. 425 ff.).
28. November. Freiherr von der Goltz wird von seiner Stellung
als Generalgouverneur von Belgien enthoben und für die Dauer