Full text: Europäischer Geschichtskalender. Neue Folge. Dreißigster Jahrgang. 1914. Zweite Hälfte. (55b)

776 Dãnemark. (April 1. —Juni 3.) 
1. April. (Reichstag.) Annahme des Gesetzentwurfes über 
die Diplomatie, der u. a. die Errichtung einer dänischen Gesandt- 
schaft in Konstantinopel vorsieht. 
9. April. Das Regierungsorgan „Politiken“ weist den von 
dem früheren norwegischen Kriegsminister General Lowzow jüngst 
ausgesprochenen Gedanken an ein Verteidigungsbündnis zwischen 
den drei nordischen Staaten zurück. 
Es wird hervorgehoben, daß Dänemark nimmer für einen militä- 
rischen Neuskandinavismus zu haben sein würde; die auswärtige Politik 
Dänemarks sei auf der strengsten Neutralität basiert und der Platz Däne- 
mark sei nicht in einem Verteidigungsbündnis mit kriegerischen Tendenzen 
zu suchen. 
11. April. (Island.) Wahlen zum Althing. 
Sie ergeben eine Stärkung der Selbständigkeilspartei, d. i. derjenigen 
Partei, die im Verhältnis Islands zu Dänemark volle staatsrechtliche Gleich- 
stellung der Insel anstrebt, während die bisherige Regierungspartei — die 
sogenannte „Samband-Partei“, die gegenüber Dänemark eine gemäßigte 
Haltung einnimmt — eine beträchtliche Anzahl von Mandaten einbüßt. 
1. Mai. (Reichstag.) Einbringung eines neuen Wahlgesetz- 
entwurfes. 
Nach diesem Entwurf soll die Zahl der Mitglieder des Folkethings 
von 114 auf 140, die der Wahlkreise von 114 auf 120 erhöht werden. 
In den Einzelkreisen soll auch fernerhin nicht nach dem Verhältnissystem 
gewählt, dagegen sollen die 20 neuen Sitze nach dem Verhältnisgrundsatz 
auf die verschiedenen Parteien entsprechend der von ihnen in den Einzel- 
kreisen erreichten Stimmenzahl verteilt werden. 
7.—27. Mai. Auslandsreise des Königspaares. (Siehe S. 536, 
657, 755, 771.) 
27. Mai. Der Minister für Island, Hafstein, tritt zurück. 
W. Mai. Auf die Erklärungen des Reichskanzlers anläßlich 
der Nordmark-Interpellation im preuß. Herrenhaus (s. S. 317 f..) 
erwidert das Organ der gemäßigten Linken „Koebenhavn“: 
Wir gestehen, daß wir nach der beleidigenden Rede des Herrn 
v. Bethmann Hollweg nicht mal die Notwendigkeit oder den Nutzen der von. 
deutscher und dänischer Seite so oft offiziell beteuerten Freundschaft ein- 
sehen. Es möge dänischerseits unumwunden versichert sein, daß wir die 
deutsche Freundschaft nicht brauchen, daß wir einen ehrlichen Feind einem 
lauen Freunde vorziehen. Weiter heißt es unter Hinweis auf die kolossalen 
Rüstungen Rußlands: Wenn sich die Deutschen nicht sagen können, daß 
Friede mit ihren „germanischen“ Nachbarn (Dänemark, Holland und Eng- 
land) eine Lebensbedingung für sie in ihrem bevorstehenden Kampfe mit 
den Slawen ist, dann erklären wir ganz offen, daß Rußland unser Freund 
ist, ebensosehr, wie Bethmann Hollweg uns hat verstehen lassen, daß 
Deutschland unser Feind ist. 
3. Juni. (Landsthing.) Wahlgesetzentwurf. 
Die von der Mehrheit, nämlich von der Linken, den Sozialdemokraten 
und den Radikalen, gestellten Abänderungsvorschläge werden mit 33 gegen
	        
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