Dãnemark. (Juni 9.—10.) 777
31 Stimmen der Konservativen angenommen. Namens der Konservativen
erklärt darauf der Führer der Rechten, Piper, daß die Konservativen, da
sie nicht die Verantwortung tragen wollten, daß das Gesetz angenommen
würde, sich genötigt sähen, den Saal zu verlassen, was jedesmal geschehen
werde, so oft der Entwurf zur Beratung komme. Darauf verlassen die
Konservativen den Saal. Bei der Abstimmung wird die abgeänderte Vor-
lage mit 33 Stimmen angenommen. 32 Abgeordnete sind abwesend. Der
Präsident stellt fest, daß der Landsthing beschlußunfähig sei. Zur Beschluß-
fähigkeit ist erforderlich, daß mehr als die Hälfte der Mitglieder an der
Abstimmung teilnimmt.
9. Juni. (Folkething.) Der (abgeänderte) Wahlgesetzentwurf
wird mit 102 gegen 6 Stimmen angenommen.
9. Juni. (Landsthing.) Erneute Beratung des Wahlgesetz-
entwurfes.
Da die Konservativen der Beratung fern bleiben und ein endgültiger
Beschluß somit nicht zustande kommen kann, erklärt Ministerpräsident Zahle,
angesichts dieses verfassungswidrigen Verhaltens sei es Pflicht der Regierung,
den König zu ersuchen, das Landsthing aufzulösen.
10. Juni. (Folkething.) Die „Staatenlosen“ in Nord-
schleswig.
Auf eine Anfrage des radikalen Abgeordneten P. Christensen er-
widert der Minister des Aeußern von Scavenius: Odbgleich die Frage
betreffend die Verhältnisse der Staatenlosen als eine innere deutsche An-
gelegenheit betrachtet werden soll, so ist die dänische Regierung doch bereit,
mitzuwirken zu der Lösung dieser Sache unter der Voraussetzung, daß die
Frage ganz aus der Welt geschafft wird. Man hat nicht geglaubt, es ver-
antworten zu können, daß alle Staatenlosen als dänische Staatsbürger auf-
genommen werden, aber man hat sich für willig erklärt, gewissen Kategorien
von ihnen das Bürgerrecht zu bewilligen, falls Preußen die übrigen natura-
lisieren sollte. Die frühere dänische Regierung war erbötig, das Bürger-
recht solchen Staatenlosen zu bewilligen, die einen diesbezüglichen Wunsch
äußerten, und sie erklärte sich weiterhin bereit, in Erwägung zu ziehen,
solche Staatenlosen zu naturalisieren, von denen man annehmen könnte,
daß sie in besonderem Grade an Dänemark geknüpft sind, weil ihre beiden
Eltern dänisch sind oder weil sie Kinder unehelicher dänischer Mütter sind.
Als Antwort hierauf hat die preußische Regierung im letzten Winter den
Wunsch ausgesprochen, daß Dänemark auch solchen Staatenlosen das Bürger-
recht bewilligen sollte, deren Großeltern aus Dänemark nach Schleswig ein-
gewandert sind, und sie hat ferner erklärt, daß ein eventuelles Traktat nur
jene Staatenlosen umfassen könne, die Dänemark naturalisieren wolle, daß
sie aber nicht irgendwelche Verpflichtung übernehme, die übrigen Heimat-
losen als deutsche Staatsbürger zu naturalisieren. Hinsichtlich dieser letzteren
hoffte die preußische Regierung, daß sie im Laufe der Zeit das Staats-
bürgerrecht in dem einen oder andern der Länder erwerben könnten, so
daß auf diese Weise die Heimatlosen nach und nach absorbiert werden
würden. Die dänische Regierung muß nicht allein aus der Betrachtung
heraus, daß man hier in Dänemark das Verständnis für den Abschluß
eines Traktats auf dieser Grundlage vermißt, sondern schon weil man die
Hoffnung auf eine vollständige Lösung dieser Frage auf diesem Wege
nicht teilen kann, der Anschauung sein, daß die Sache unter diesen Um-
ständen sich nicht vorwärtsführen lassen kann. Der deutsche Reichskanzler