Full text: Europäischer Geschichtskalender. Neue Folge. Dreißigster Jahrgang. 1914. Zweite Hälfte. (55b)

526 Gro#britennien. (März 18.) 
künftige Bauprogramm entwickelt. Unter genauer Berücksichtigung der Lage 
sei die Admiralität überzeugt, daß der Bau von vier Schiffen für dieses 
Jahr genügen werde, was genau seinen Vorschlägen von vor zwei Jahren 
entsprochen habe. England werde der selbständige Wächter seiner Interessen 
im Mittelmeer bleiben und keine besonderen Verpflichtungen eingehen. Die 
Regierung beabsichtige im Jahre 1915 im Mittelmeer ein Schlachtschiff- 
geschwader von acht Schiffen zu haben, wovon sechs Dreadnoughts oder 
Lord Nelsons seien, das auf Malta basiert sein werde. Sie würde die eng- 
lischen Seestreitkräfte im Mittelmeer auf acht Linienschiffe und vier Kreuzer 
bringen. Um dies tun zu können und um die unentbehrliche Sicherheit in 
den heimischen Gewässern zu erhalten, sei es notwendig, den Bau von drei. 
Schiffen zu beschleunigen, da die drei kanadischen Dreadnoughts ausgeblieben 
seien. Churchill spricht die Hoffnung aus, daß Kanada später seinen An- 
teil an der Reichsverteidigung übernehmen werde. Jetzt genüge das be- 
zeichnete Programm, um das angegebene Stärkeverhältnis für die Zeit von 
Ende 1915 bis Mitte 1916 zu erhalten. Es würden also zwei Schiffe von 
dem Programm von 1914 so begonnen werden, daß sie im dritten Viertel- 
jahr 1916 fertig wären. Churchill rühmt die Flottenpolitik Neuseelands 
und Australiens und betont die Wichtigkeit, in den kanadischen und süd- 
afrikanischen Gewässern Fottenstationen, Docks und Reparaturwerkstätten 
zu bauen und ebenso Flottillen von Zerstörern und Unterseebooten, um die 
Anlagen zu schützen. 
Die Wirksamteit der britischen Diplomatie hänge größtenteils von 
der maritimen Stellung ab. Die Stärke der britischen Flotte sei der einzige 
große Ausgleichsfaktor, den England zur eigenen Sicherheit und für den 
Weltfrieden stellen könne. Sein Anspruch, in dem unbestrittenen Genuß 
seiner weiten herrlichen Besitzungen belassen zu werden, scheine dem Aus- 
lande öfter weniger berechtigt zu sein als den Engländern selbst. England 
habe nicht umhin gekonnt, regelmäßig in die Angelegenheiten Europas und 
der Welt einzugreifen, und große Vorteile für den europäischen Frieden 
seien die Folge gewesen. Es habe die Verantwortlichkeit in vielen Gebieten. 
Obwohl die Grundlagen des Friedens unter den Großmächten gefestigt 
seien, seien die Ursachen, die zu einem allgemeinen Kriege führen könnten, 
nicht beseitigt. Nicht die geringste Verringerung der maritimen und mili- 
tärischen Rüstungen habe stattgefunden. Vielmehr rüste die Welt wie zuvor. 
Alle Versuche, dem Einhalt zu tun, seien unwirksam gewesen. Wenn nicht 
die Stärke der Flotte in weitem Maße erhalien bleibe, könne die Regierung 
nicht glauben, dem Lande gegenüber ihre Pflicht zu erfüllen. 
18. März. (Unterhaus.) Flottenetat. Staatssekretär Grey 
über Englands auswärtige Politik. 
Lord Heresford (Unionist) bemängelt das Programm Churchills 
und erklärt, daß Churchill den wichtigsten Punkt nicht berührt habe, wie die 
Flotte stark gemacht werden solle, um der größeren Verantwortung des 
Reiches in den kritischen Perioden zu begegnen. Er verlangt dringend die 
Bildung eines Reichsausschusses von Vertretern aller Parteien und Do- 
minions, um einen Plan einer Reichsverteidigung auszuarbeiten. Snowden. 
(Arbeiterpartei) greift die Flottenpolitik der Regierung scharf an und er- 
klärt, die Haltung Churchills sei eine Gefahr für die Sicherheit des Landes 
und eine Drohung für den Weltfrieden. Er fragt, weshalb es notwendig 
sei, die Mittelmeerflotte zu verstärken, denn wenn England mehr Schiffe 
dorthin verlege, würden Italien und Oesterreich-Ungarn ihre Flotten ver- 
größern. Wenn dies so fortginge, würde England in wenigen Jahren einen 
Marineetat von 100 Millionen Pfund haben. Ferner macht Snowden einen
	        
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