Full text: Europäischer Geschichtskalender. Neue Folge. Dreißigster Jahrgang. 1914. Zweite Hälfte. (55b)

Greßbritannien. (Mãrz 18.) 527 
heftigen Angriff auf den Rüstungsring: er erklärt: Wir müssen heraus- 
kommen aus den Klauen der Schwindler, Diebe, Politiker, Generale und 
Rüstungsschürer und einen tatsächlichen Beweis geben von unserem Wunsche, 
die Flottenausgaben herabzusetzen. Aubrey Herbert (Unionist) lenkt die 
Aufmerksamkeit auf die politische und strategische Lage im Mittelmeer und 
bringt eine Resolution ein, in der erklärt wird, die Lage auf dem Mittel- 
meer erfordere vermehrte Wachsamkeit seitens der Regierung und mache 
die Bereitstellung einer angemessenen Flottenmacht zum Schutze des 
Weges nach Indien notwendig. Mark Sykes erklärt, der Tripelentente 
drohe eine Gefahr seitens französischer Finanzleute im fernen Osten. 
Das Ergebnis ihrer Politik werde der Zusammenbruch des ottomanischen 
Reiches sein, was für England ein fürchterliches Unglück bedeuten würde. 
Die Konzessionen, die von der Türkei als Entgelt für die Hingabe von 
Anleihen herausgebracht würden, zielten im letzten Grund auf ein französi- 
sches Handelsmonopol in Syrien hin. 
Staatssekretär Sir Edward Grey erklärt, die Debatte habe sich 
über ein weites Feld erstreckt, und er denke nicht, das gesamte Gebiet des 
guten Einvernehmens zu behandeln, das zwischen England, Frank- 
reich und Rußland bestanden und zweifellos während der beiden letzten 
unruhvollen Jahre zum Frieden Europas beigetragen habe. Das Wesent- 
liche für den Frieden Europas sei das Bestehen der Mächtegruppen ge- 
wesen, die Rollen, die die Mächte innerhalb dieser Gruppen gespielt 
hätten und die sie nicht so wirkungsvoll hätten spielen können, wenn sie 
den Gruppen nicht angehört hätten. Einer der Redner habe von Sonnen- 
schein und Schatten der Lage gesprochen. Er meine, Schatten sei zu der 
Zeit vorhanden gewesen, als die Tripelentente noch nicht bestand, nämlich 
von 1880 bis 1905, damals, als beständig zwischen England und einem 
oder dem anderen der Länder Kriegsbesorgnis vorhanden war, mit denen 
England jetzt in so guten Beziehungen stehe. Ein anderer Redner habe richtig 
gesagt. daß England in seinen guten Beziehungen mit Frankreich und Rußland 
mit besonderer Genugtuung auf die Tatsache blicke, daß das Kriegsbeil begraben 
sei. Er, Grey, erinnere sich gern daran, daß das Kriegsbeil nicht nur begraben, 
sondern vollständig außer Sicht gekommen sei. Wir waren bestrebt, erklärt Grey, 
dieses gute Einvernehmen aufrechtzuerhalten. Wir glaubten, daß es dem 
Frieden diene, weil es selbst Frieden gestiftet hat. Aber die Tatsache, daß wir 
unter uns selbst Frieden hielten in Dingen, die uns gegenseitig betrafen, be- 
deutete nicht, daß jede der Ententemächte verantwortlich zu machen war für 
das, was eine andere in Dingen unternahm, die ihre eigenen Interessen be- 
trafen. Es bestand Neigung, anzunehmen, daß wir, weil wir besonders 
gute Beziehungen zu einer anderen Macht in Angelegenheiten unterhielten, 
an denen wir ein gemeinsames Interesse hatten, deshalb auch ein be- 
sonderes Recht hätlen, alles zu kritisieren, was diese Macht in irgendeinem 
Teile der Welt in Angelegenheiten tat, an denen wir nicht beteiligt waren. 
Wenn das so wäre, dann würde eine Entente für die ihr angehörenden 
Mächte eine unerträgliche Last sein. Wir würden niemals daran denken, 
eine Entente bis zu einem solchen Punkte auszudehnen. 
Grey geht dann auf die Mittelmeerfrage ein und sagt. Churchills 
Programm könne nicht als ein Aufgeben des Mittelmeers bezeichnet werden, 
aber Enland könne nicht überall eine außerordentlich hohe Flottenmacht 
besitzen. England könne im Mittelmeer keine allen anderen Mächten über- 
legene Flotte aufrecht erhalten. Der englische Standard müsse dort offenbar 
nur so hoch sein, daß er jeder wahrscheinlichen Kombination gleichkomme. 
Ueber die Beziehungen der Flottenstärke zur auswärtigen 
Politik sagt Grey: Wenn Sie auf einen Standard der völligen Ueber-
	        
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