Full text: Europäischer Geschichtskalender. Neue Folge. Dreißigster Jahrgang. 1914. Zweite Hälfte. (55b)

Rußland. (Februar 18.—20.) 803 
durch den Willen des Monarchen ernannt werden, die wir im Dienste für 
den Kaiser und das Vaterland grau geworden, durch langjährige Dienste 
und Lebenserfahrung weise gemacht worden sind, von uns alten Dienern 
nicht weniger als von unsern gewählten Kollegen, den Repräsentanten der 
Blüte unserer Nation — erwarten, daß wir eine nicht weniger feste Schanze 
sein werden gegen den Ansturm der hoffnungslosen Reaktion und des 
kriegerischen Nationalismus, welche in ihrer unbegreiflichen Blind- 
heit nur zum Nutzen der inneren und äußeren Feinde Rußlands arbeiten. 
18. Februar. (Reichsrat.) Gesetzentwurf betr. die Bekämpfung 
der Trunksucht. 
Der Antrag Witte, die Einnahmen des Staatsschatzes aus dem 
Branntweinmonopol auf eine bestimmte Summe zu beschränken, wird mit 
102 gegen 21 Stimmen abgelehnt. 
18. Februar. Erlaß einer Verordnung über den Besuch russi- 
scher Häfen und Gewässer durch fremde Schiffe. 
Offene Häfen bleiben Windau (Ostsee), Odessa, Feodosia und Nowo- 
rossisk Schwarzes Meer), Petropawlowsk (Ostsibirien) und mehrere andere. 
Die Mehrzahl der Häfen im Baltischen Meer, im Stillen Ozean, im Asow- 
schen und im Schwarzen Meer werden als unbedingt offen erklärt. Der 
Besuch dieser Häsen macht eine vorherige Erlaubnis auf diplomatischem 
Wege notwendig. Die Verordnung bezieht sich nicht auf Schiffe, auf denen 
sich Staatsoberhäupter oder beglaubigte Vertreter von Staaten befinden, 
und auf Fahrzeuge, die Schiffbruch erlitten haben. 
19. Februar. (Zarskoje Sselo.) Der Zar empfängt den 
österreichisch-ungarischen Botschafter Grafen Szäpäry in Antritts- 
audienz. 
W0. Februar. Die offiziöse „Rossija“ über den neuen Kurs. 
Das Blatt weist darauf hin, daß die gesamte russische Regierung 
ein Ausfluß des kaiserlichen Willens sei und über den Parteien stehe. Die 
friedliche Entwicklung Rußlands beruhe auf dem Zusammenarbeiten der 
nationalen Vertretung und der Regierung. Beide seien Emanationen des- 
selben kaiserlichen Willens. Dieser Gesichtspunkt enthalte ein formelles 
Dementi gegenüber den Gerüchten über eine angeblich beabsichtigte Ver- 
änderung in der Stellung der gesetzgebenden Kammern zueinander. Die 
in sieben Jahren geleistete Arbeit dieser Kammer beweise zum Ueberfluß, 
daß eine regelmäßige Entwicklung der russischen Gesetzgebung ebenso wie 
der schöpferischen Kräfte des Volkes nur möglich sei, wenn zwischen der 
nationalen Vertretung und der Regierung Einvernehmen bestehe. 
20. Februar. Das Ministerium des Aeußern veröffentlicht 
eine Sammlung von Aktenstücken über die Balkankrise 1912 13. 
Die „Petersburger Telegraphenagentur“ verbreitet daraus folgenden, 
für Rußland natürlich günstigen Auszug: Aus dieser Sammlung geht der 
unparteiische Charakter der russischen Haltung hervor. Sie be- 
weist ferner unwiderleglich Rußlands freundschaftliche Haltung gegen alle 
Balkanstaaten, auch gegen Rumänien. Von Anfang der Krise an richtete 
Rußland sein Verlangen darauf, Reformen in der europäischen Türkei durch- 
zusetzen. Als der Bruch unvermeidlich wurde, arbeitete die russische Diplo- 
matie auf die Aufrechterhaltung des Einvernehmens zwischen den Groß- 
mächten hin, auf der Grundlage der territorialen Uninteressiertheit und des 
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