Rußland. (März 3.—10.) 811
so übertriebenen Pessimismus vor die Oeffentlichkeit treten, wie es der
Petersburger Vertreter der „Kölnischen Zeitung“ diesmal getan hat. Es
sei ausdrücklich festgestellt, daß nach hiesigen Auffassungen für eine solche
Beurteilung der allgemeinen politischen Lage und auch der besonderen Be-
ziehungen Rußlands zu Deutschland kein Grund vorliegt.
3. März. (Finnland.) Der Generalgouverneur von Finn-
land reicht im Ministerrat einen Gesetzentwurf ein über die Ein-
führung der russischen Sprache im schriftlichen Verkehr zwischen
den Regierungsorganen und den Staatsbeamten in Finnland.
3. März. (Kiew.) Erklärung des Kongresses der Getreide-
exporteure zum Handelsvertrag mit Deutschland.
Der Kongreß nimmt eine Resolution an, in der es heißt, Rußland
müsse sich von der für eine Großmacht erniedrigenden wirtschaftlichen Ab-
hängigkeit von Deutschland befreien. Unverzüglich sollten Maßregeln er-
griffen werden, um die Handelsbeziehungen zu anderen Staaten zu fördern.
Der Vorschlag des Staatssekretärs Delbrück, den bestehenden Handelsvertrag
mit Rußland zu verlängern, sei nach der Meinung des Kongresses für
Rußland mehr als verletzend. Bei Abschluß des neuen Handelsvertrages
müßten schriftliche Kontrakte für die nach Deutschland gehenden russischen
Arbeiter gefordert werden, und den russischen Arbeitern müßte in Deutsch-
land der Arbeiterschutz nach deutschen Gesetzen zugute kommen.
4. März. (Petersburg.) 15000 Arbeiter der Putilowwerke
treten in den Ausstand als Protest gegen das Verbot, den heutigen
Gedenktag der Befreiung der Bauern zu feiern.
5. März. Offizielle Note des Finanzministeriums betr. den
Artikel der „Köln. Ztg.“.
Sie lautet: Die „Kölnische Zeitung“ brachte am 2. März eine In-
sormation über angebliche Kriegsvorbereitungen Rußlands an der West-
grenze. Diese Nachricht übte noch an demselben Tage einen sehr beunruhi-
genden Einfluß auf die Pariser Börse aus, der sich auch auf die an dieser
Börse gehandelten russischen Werte erstreckte und jetzt sogar auf die russische
Börse in Petersburg übergegriffen hat, gestützt durch die Meinungen von
Baissespekulanten. Die Informationen der „Köln. Zeitung“ entbehren jeder
Begründung und beruhen auf Erfindung.
7. März. Aus Warschau wird gemeldet: Infolge der russi-
schen Probemobilisierung werden Bahngütertransporte auf ver-
schiedenen Bahnlinien nur mehr unter Vorbehalt angenommen.
10. März. Die „Köln. Ztg.“ teilt Ausführungen der „France
Militaire“ über die Aufgaben der russischen Flotte in einem Kriege
mit Deutschland mit.
Es heißt darin: Nach einem Besuche des Admiralstabschefs der rus-
sischen Marine in Paris und des damaligen Ministerpräsidenten Poincaré
in Petersburg wurde 1912 ein Seeabkommen unterzeichnet, das nur zum
Zweck haben kann, das vereinte Vorgehen der beiden Nationen zur See
an dem Tage zu bestimmen, wo sie infolge ihres Bündnisvertrages zu
einem gemeinsamen Vorgehen veranlaßt würden. Die Sache machte im
Augenblick einiges Aufsehen, dann vergaß man sie wieder. Man vergißt