812 Kußland. (März 11.)
so schnell in Frankreich! Dazu begab sich vergangenes Jahr auch noch
unser Admiralstabschef Vizeadmiral Le Bois nach Rußland. Es handelte
sich sicher darum, die Verwendung der künftigen, und vor allem der heute
schon verfügbaren Kampfeseinheiten vorzusehen. Nachdem dann die „France
Militaire“ die Kampfesstärke der neuen Flotte Rußlands in der Ostsee des
einzelnen dargelegt hat, bestimmt sie ihre Bedeutung und Rolle gegen
Deutschland dahin: Dieses Geschwader wird Deutschland zwingen, eine zum
mindesten gleichstarke Streitmacht in der Ostsee zu unterhalten. In diesem
Meere, an dem Deutschland eine Küste von 900 km zu verteidigen hat
und an dem es seine große Werft Kiel angelegt hat, wird Rußland uns
Beistand leisten, denn dieses Eingreifen unseres Verbündeten zur See wird
die in der Nordsee beschäftigte deutsche Marine zwingen, so nach zwei
Fronten zu kämpfen. Und nehmen wir einen Augenublick an, daß die rus-
sische Flotte als Sieger aus einem Kampfe mit der zweiten deutschen Flotte
hervorgeht, welche gefahrvolle Rückkehr alsdann für sie nach Kiel, ohne die
vernichtenden Folgen einer solchen Niederlage für Deutschland zu zählen:
seine Küsten unserm Verbündeten preisgegeben, der mit einer Truppen-
landung die deutschen Truppen, die den russischen an der polnischen Grenze
gegenüberstehen, im Rücken angreifen oder Berlin zum Ziele nehmen würde,
das keine 200 km entfernt ist.
11. März. (Reichsrat.) Der Gesetzentwurf betr. die Be-
kämpfung der Trunksucht wird in dritter Lesung angenommen.
Er muß jedoch infolge Aenderungen an die Duma zurückgehen. Die
Gesetzesvorlage, nach welcher die Semstwoverfassung auch auf das Don-
gebiet ausgedehnt werden soll, wird mit 87 gegen 51 Stimmen abgelehnt.
11. März. Ssasonow äußert sich beruhigend über das Ver-
hältnis Rußlands zu Osterreich--Ungarn und Deutschland.
Der Minister erklärt einem nach Rußland entsandten Mitarbeiter
des ungarischen Blattes „Az Est“, daß das Verhältnis zwischen Rußland
und Oesterreich-Ungarn ausgezeichnet sei. Die über seinen Rücktritt und
über die Einleitung einer weniger friedlichen russischen Politik verbreiteten
Nachrichten seien haltlos. Die im vorigen Jahre vorhandenen Gegensägze
zwischen Rußland und Oesterreich-Ungarn seien ausgeglichen; da weder
Rußland noch Oesterreich-Ungarn an Gebietserwerb auf dem Balkan denke,
sei ein Zusammenstoß von dieser Seite vollständig ausgeschlossen. Auf die
Einwendung des Berichterstatters, daß die Gesellschaft in Petersburg deutsch-
feindlich sei, erwidert Ssasonow, daß sich die Politik der großen Reiche
nicht nach Gefühlen richte, da heute die Interessen geböten, diese aber auf
der ganzen Welt den Frieden forderten. Die gesteigerten Rüstungen Ruß-
lands seien nur eine Rückwirkung der von Deutschland ergrissenen Maß-
nahmen, diese Rückwirkungen ließen sich auch in Frankreich und Oesterreich-
Ungarn bemerken. Oesterreich-Ungarn sei kleiner als Rußland, und habe
doch ein dichteres Eisenbahnnetz und ein verhältnismäßig größeres Heer.
Rußland mit 2½ Millionen Geburten im Jahre könne sich den Luxus der
Erhöhung des Friedensstandes erlauben. Zur Aufregung gebe es darum
keinen Anlaß. Rußland sei heute groß genug und habe nur einen Gedanken,
seinen Wohlstand zu verwerten und sich zu entwickeln. Rußland wolle keinen
Krieg, und wenn es dennoch sein Heer verstärke, was es ohne Kraft-
anstrengung tun könne, so tue es dies nur, um auf diese Weise den Frieden
zu erzwingen. Es wolle ein gutes nachbarliches Verhältnis mit Oesterreich-
Ungarn und Deutschland. Ssasonow könne sich nicht denken, daß in diesen
Ländern andere Gefühle für Rußland bestünden. Was die im Jahre 1917