Full text: Europäischer Geschichtskalender. Neue Folge. Dreißigster Jahrgang. 1914. Zweite Hälfte. (55b)

900 Hulzarien. (Anfang Juli—5.) 
Anfang Juli. Die von der Carnegie-Stiftung zur Unter- 
suchung der „Balkangreuel“ entsandte Kommission veröffentlicht 
einen Bericht über ihre (vom 20. August bis 28. September 1913 
unternommene) Reise. 
Die Kommission weist nach, daß die Griechen wider besseres Wissen 
viele „Bulgarengreuel“ in die Welt gesetzt und planmäßig verbreitet haben, 
um die öffentliche Meinung Europas gegen ihre Gegner zu erregen. 
2. Juli. (Sobranje.) Finanzminister Tontschew äußert sich 
über die Finanzlage. 
Der Minister versichert, daß die Finanzen Bulgariens infolge der 
Eigenschaft als vorwiegend ackerbautreibendes Land durch den Krieg nicht 
sonderlich erschüttert worden seien. Weiterhin erklärt er, daß die Ausgaben 
für den Krieg einschließlich der Requisitionen sich auf 484 Millionen Franken 
beliefen; infolgedessen steige die gesamte Staatsschuld auf zirka 1120000 
Franken. Das Budget von 251 Millionen Franken sei um 60 Millionen 
Franken höher als im Vorjahre, infolge der notwendigen Bedürfnisse der 
Armee, der Aufwendungen für die neuen Länder und der Erhöhung der für 
den Staatsschuldendienst notwendigen Summen. Von der Staatsschuld seien 
627 Millionen Franken konsolidiert, 132 Millionen Franken Schatzscheine und 
150 Millionen Franken Requisitionsbonds. Das an Rumänien abgetretene 
Gebiet der Dobrudscha habe eine Jahresproduktion von 76 Millionen 
Franken, darunter 47 Millionen Franken für Getreide, aufzuweisen ge- 
habt, dagegen besäßen die 28000 Ouadratkilometer umfassenden Neu- 
erwerbungen eine bedeutende und noch entwicklungsfähige Tabakproduktion. 
Obwohl die Folgen des Krieges naturgemäß noch nicht verwunden seien. 
zeigten die Einkünfte des Staates bis Mitte Mai eine wesentliche Erhöhung. 
5. Juli. (Sofia.) Abschluß eines Anleihevertrages zwischen der 
Berliner Diskontogesellschaft und dem bulgarischen Finanzministerium. 
Der Anleihebetrag beläuft sich auf 500 Millionen Franken, wovon 
sofort 120 Millionen als Vorschuß gegen Schatzscheine, laufend bis 1. August 
1915, begeben werden. Der Anleihevertrag sieht zwei Optionen vor, die 
erste über 250 Millionen bis 1. August 1915, die Option der zweiten Hälfte 
findet innerhalb zweier Jahre nach der ersten Option statt. Die Anleihe 
wird mit 5 Prozent verzinslich und ist in fünfzig Jahren zu tilgen. Der 
Emissionskurs beträgt 84. Bulgarien gewährt der Bankengruppe aus- 
reichende Bürgschaften, nämlich die Ueberschüsse aus der Banderolensteuer, 
der Stempelsteuer, der Grundsteuer aus den Tabakfeldern; ferner den Er- 
trag aus dem Monopol auf Zigarettenpapier und die Einfuhrzölle, die alle 
an die Nationalbank abzuführen sind, von wo die Direktion der Staats- 
schulden die fällig werdenden Beträge bezahlt. Die Bankengruppe erhält 
das Recht, die Eisenbahn Portolagos—Haskowo und den Hafen Portolagos 
zu bauen. Der Bankengruppe wird weiter der Betrieb der Kohlengruben 
Pernik und Bobowdol bei Sofia auf unbestimmte Zeit überlassen. Bul- 
garien verpflichtet sich, die deutsche, österreichische und ungarische Industrie 
mit Aufträgen einschließlich Bahn und Hafen im Wert von 150 Millionen 
zu bedenken von dem Betrag der Option für die zweite Serie. Bon dem 
Ertrag der Schatzscheine sind alte Schatzscheine bei der russisch-asiatischen 
Bank im Betrage von rund 28 Millionen und 30 Millionen bei österreichisch- 
ungarischen Banken zurückzuzahlen. Der Rest fließt in die Kasse der bul- 
garischen Nationalbank.
	        
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