Bulgzaritn. (September 6.—Mitte.) 903
größte Aufsehen erregt. Die öffentliche Stimmung ist jedoch gegen
Rußland gerichtet.
6. September. Rußland der Feind Bulgariens.
Der „Utro“ gibt einen Artikel des russischen Nationalistenführers
Sawenko im „Kiewljanin“ wieder, der eine Erklärung des verstorbenen
Gesandten v. Hartwig über die russische Balkanpolitik enthält. Danach sagte
v. Hartwig: Die Bulgarenliebe der russischen Gesellschaft sei ein schädlicher
Sentimentalismus. Ein starkes Bulgarien wäre Rußlands unversöhnlicher
Feind und würde sicherlich mit Oesterreich-Ungarn ein Bündnis eingehen.
Dagegen liefen die russischen und die serbischen Interessen nirgends aus-
einander. Serbien sei sonach der natürliche Bundesgenosse Rußlands, weil
ein starkes Serbien Oesterreich-Ungarn ein unversöhnlicher Feind wäre.
So wie der Weg Rußlands zur Meerenge nur über Trümmer ginge, so
stehe Oesterreich-Ungarn der Idee Großserbiens als Hindernis im Wege.
Sawenko schließt, dieses Vermächtnis Hartwigs werde weiterleben, weil es
dem Lebensbedürfnis Rußlands entspreche. Der „Utro“ sagt: Man müsse
sich über diese Aufrichtigkeit bezüglich der jetzigen Politik Rußlands freuen.
Wollte Bulgarien sich dieser Erkenntnis verschließen, dann würde es der
russischen Politik zum Opfer fallen.
11. September. Der russische und der französische Gesandte
stellen der bulgarischen Regierung, falls sich Bulgarien den Entente-
mächten anschließen werde, die Wiederherstellung des alten Ver-
trages von San Stefano an Stelle des Vertrages, den Bulgarien
im Vorjahre in Stambul mit der Türkei abgeschlossen hat, in
Aussicht. Die bulgarische Regierung antwortet ausweichend.
Die Blätter billigen in der Mehrzahl die Haltung der Regierung.
So schreibt „Kambana“ (am 17.): Es sei offenbar ein Hohn, wenn Ruß-
land behaupte, das Wohl Bulgariens bilde seine unaufhörliche Sorge.
Mehrere Gouvernements, die zehnmal größer als Bulgarien seien, würden
in Rußland in schwärzester Knechtschaft und im schlimmsten Elend ge-
halten, während man für Bulgarien zärtliche Fürsorge heuchle. Die russische
Erklärung verspreche ferner die aktive Hilfe Rußlands, falls Bulgarien.
angegriffen würde. Dies sei nur ein Vorwand für die russischen Truppen,
bulgarisches Gebiet dauernd zu besetzen. Der Hintergedanke der Russen
sei, daß Bulgarien für die russischen Truppen die Avantgarde gegen die
Türkei bilde und ihr die Dardanellen und Thrazien erobern helfe. Die
russische Erklärung sei ein neuerlicher Beweis dafür, daß jeder gute bul-
garische Patriot nur der Losung folgen müsse: Los von Rußland.
14. September. An Stelle des Generals Bojadschiiew wird
General Fitschew, der Chef des Generalstabes im Balkankriege, zum
Kriegsminister ernannt.
15. September. Der neuerrichtete Gesandtschaftsposten in
Washington wird Professor St. Panaretow übertragen.
Mitte September. Die Mission des Präsidenten des Londoner
Balkankommitees Noel Buxton, der im Auftrag der britischen Re-
gierung Bulgarien durch Versprechungen für den Dreiverband zu
gewinnen sucht, bleibt vollkommen ergebnislos.