906 Hulzarien. (November 15.—24.)
widert der Vizepräsident der Sobranje Momtschilow im stambulowi-
stischen Parteiorgan „Wolja“: Man muß Serbe sein, um mit solcher
Frechheit zu sprechen, nachdem Serbien im Vorjahre Bulgarien hinterrücks
überfallen und seither die mazedonischen Bulgaren in der unmenschlichsten
und unerhörtesten Weise gepeinigt und massakriert hat. Serbien hatte
Bulgarien 1885 heimtückisch angefallen und 1912, während die bulgarische
Armee vor Tschataldscha stand, schloß es einen Geheimbund mit den übrigen
Nachbarn, um Bulgarien zugrunde zu richten. Wie kann heute der Sohn
einer Nation von Tücke reden, die nichts anderes als Heimtücke, Räube-
reien und Meuchelmorde in ihrer Geschichte aufzuweisen hat? Wir be-
zahlten teuer die brüderliche slawische Jdee. Es wäre ein unerhörtes Ver-
brechen, ihr nochmals nachzugeben. Wie kann Marinkowitsch vom Jahre
1912 sprechen, wo Serbien und dessen Verbündete wie ausgehungerte
Wölfe Bulgarien überfielen? Kann er Radko Dimitriew die Hand küssen,
der seine Menschenwürde, seine Würde als Generalissimus vergaß und Bul-
garien verkaufte, um das Slawentum zu retten? Marinkowitsch kann sicher
sein, daß Bulgarien seine Pflicht erfüllen und Mazedonien aus den Krallen
neuer Knechtschaft befreien wird.
15. November. Die „Nationale Liga“ erläßt einen Aufruf,
in dem Regierung und Volk aufgefordert werden, den Augenblick
der Befreiung Mazedoniens vom serbisch-griechischen Joche nicht zu
versäumen.
19. November. (Sobranje.) Vorlage eines Gesetzentwurfes,
der den Kriegsminister ermächtigt, einen Teil der bisher militär-
freien Mannschaften auszuschreiben. Das Heer wird dadurch um
100000 Mann vermehrt.
22. November. (Sobranje.) Erörterungen über die Re-
gierungspolitik.
Der frühere Minister Ghenadiew, der Führer der Stambulowisten-
partei, führt u. a. folgendes aus: Wir sind weder russophil noch russophob,
ebenso wie wir weder austrophob noch austrophil sind; wir sind einzig und
allein der Ansicht, daß wir die Pflicht haben, auf Wahrung der Lebens-
interessen des Landes bedacht zu sein, die im gegenwärtigen Augenblick
vornehmlich darin bestehen, die Integrität und territoriale Unverletzbarkeit
Bulgariens gegen jeden Angriff, woher er auch komme, zu wahren und
sodann darin, nach Maßgabe der Möglichkeit das gegenwärtige Gebiet
Bulgariens zu vergrößern. Die Regierung hat zu Beginn des europäischen
Konflikts die Neutralität proklamiert und diese Neutralität, die ausschließlich
die bulgarischen Interessen vor Augen hat, loyal gehandhabt. Da die Politik
von der ganzen Nation gebilligt wird, ist die Bildung eines Kabinetts der
patriotischen Konzentration eine überflüssige Maßregel. Die Neutralität ist
der sichere Zufluchtsort, in dem die Regierung Schutz sucht. Wir müssen
darin solange wie möglich verharren.
24. November. (Sobranje.) Ministerpräsident Radoslawow
über die Haltung Bulgariens.
In der Beantwortung der Kritiken der Opposition erklärt er, daß
die Regierung der Neutralität, die sie seit dem Beginn der europäischen
Krise erklärt habe, tren bleibe, und daß sie diese Neutralität stets in
loyaler Weise ausübe, trotz der ungerechtfertigten Vorwürfe, die ihr von