Full text: Europäischer Geschichtskalender. Neue Folge. Dreißigster Jahrgang. 1914. Zweite Hälfte. (55b)

910 Rumũnien. (Januar 5. — Februar 11.) 
ein europäisches Interesse, daher mußte die Einbeziehung türkischen Gebietes 
in den Bukarester Vertrag vermieden werden. Rumänien habe somit die 
Forderung der Türkei, an den Bukarester Verhandlungen teilzunehmen, 
zurückgewiesen im Hinblick darauf, daß es sich nur um Gebietsveränderungen 
zwischen den christlichen Staaten und nicht um solche in ihren Beziehungen 
zur Türkei handelte. Auf diese Weise sei die Revision vermieden worden. 
5. Januar. (Kammer.) Ministerpräsident Majorescu kündigt 
den Rücktritt des Kabinetts an, da seine Aufgabe gelöst sei. Die 
Kammer vertagt sich. 
Der „Universul“ bemerkt zur Lage: Die gegenwärtige Koalitions- 
regierung hatte in erster Reihe die Aufgabe, die äußere Frage zu lösen. 
Sie hatte aber auch die Hoffnung, daß das Zusammenwirken zu einer 
Fusion führen werde. Die äußere Frage wurde in glänzender Weise ge- 
löst, die Erfüllung der zweiten Aufgabe, eine Fusion der konservativen. 
Majorescupartei und der konservativ-demokratischen Jonescupartei herbei- 
zuführen, erweist sich jedoch als unmöglich. Der Weg zu dieser Fusion 
wurde nicht bloß nicht vorbereitet, sondern der Gegensatz zwischen den 
beiden Parteien verschärft sich immer mehr, und in den verschiedenen kon- 
servativen Klubs, im Parlament und in der Presse wird schon seit Monaien 
in immer dringlicherer Weise die Kündigung des Zusammenwirkens ver- 
langt. Dadurch wurde eine innerpolitische Lage geschaffen, die der Regierung 
nicht mehr die genügende Stabilität gibt, um nach den errungenen Erfolgen 
in der äußeren Politik des Landes das Problem der inneren Reformen 
mit aller Kraft in die Hand zu nehmen. Eine weitere Ursache des bevor- 
stehenden Rücktritts der gegenwärtigen Koalitionsregierung ist die große 
Verschiedenheit des Programms in bezug auf die konstitutionellen Reformen 
und insbesondere auf die Enteignung. 
13. Januar. Ministerpräsident Majorescu überreicht dem 
König die Demission des Gesamtministeriums. Joan Bratianu wird 
mit der Neubildung des Kabinetts beauftragt. 
16. Januar. Konstituierung des neuen Kabinetts. 
Bratianu Vorsitz und Krieg, Costinescu Finanzen, Porumbaru 
Aeußeres, Mortruso Inneres, Constantinescu Ackerbau, Duca Unterricht, 
Radovich Handel, Antonescu Justiz, Anghelescu Oeffentliche Arbeiten. 
24. Januar. Auflösung des Parlaments. 
5.—11. Februgr. (Bukarest.) Besuch des griechischen 
Kronprinzen. 
Bei dem Galadiner (am 5.) bringt König Carol folgenden Trink- 
spruch aus: Der Besuch Euerer Königlichen Hoheit gereicht mir zu um so 
größerer Genugtuung, als ich darin eine Bekräftigung der zwischen unseren 
beiden Ländern bestehenden herzlichen Beziehungen erblicke. Diese Be- 
ziehungen sind uns besonders kostbar; denn sie wurden durch eine gemein- 
same Aktion festgekittet, die den Frieden wiederherzustellen und das Gleich- 
gewicht auf der Balkanhalbinsel zu sichern vermochte. Ich hege die feste 
Ueberzeugung, daß diese historischen Tatsachen dazu beitragen werden, 
unsere Freundschaft noch inniger zu gestalten, und daß sie eine dauernde 
Aera der Ruhe und der Wohlfahrt unseren Staaten eröffnen werden. 
Der Kronprinz erwidert mit folgendem Trinkspruch: Gestatten 
Eure Majestät, daß ich meiner ganzen Dankbarkeit für den so herzlichen
	        
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