Full text: Europäischer Geschichtskalender. Neue Folge. Dreißigster Jahrgang. 1914. Zweite Hälfte. (55b)

918 Rumãnien. (Oltober 10. 11.) 
Freund des verbündeten Kaiserreichs war dieser Hohenzoller auf dem Throne 
der lateinischen Kulturnation des Ostens, ein Hort des Friedens und der 
Ordnung auf dem Balkan. Er erkannte am klarsten die Mission Rumäniens, 
ein Damm gegen die russische Flut zu sein. 
10. Oktober. Die Regierung erläßt folgende, von sämtlichen 
Ministern gezeichnete Proklamation. 
Rumänien hat den großen König Carol, den Gründer des König- 
reichs, verloren. Fast ein halbes Jahrhundert weihte der König alle seine 
Kräfte dem Wohl des Landes. Der Tod allein setzte seiner unermüdlichen 
Arbeit ein Ende. Ein glänzendes Muster in seiner Hingebung für das 
Volk, in seinem Pflichtbewußtsein, fügte der König in die Geschichte ein 
ruhmvolles Blatt ein. Seine Tapferkeit auf dem Schlachtfelde ließ den 
Ruhm der Vorfahren wieder erstehen. Seine Weisheit sicherte die Be- 
ständigkeit der Organisation und die ununterbrochene Hebung unseres 
Staates. Das Vaterland wird ewig dankbar sein für die Wohltaten seiner 
Regierung. Das Wirken König Carols knüpfte ein unauflösliches Band 
zwischen Dynastie und Volk. An diesem Tage der Trauer scharen sich alle 
Rumänen um den geliebten Thronfolger, der sicher ist, in der Liebe und 
dem Vertrauen seines Volkes nicht nur Trost in dem von allen Rumänen 
geteilten Schmerze, sondern auch Kraft zu finden, um die große Schwierig- 
it der Mission zu erfüllen, zu der er heute berufen worden ist. Beieelt 
von denselben Gefühlen wie sein ruhmreicher Oheim, wird der neue König 
das Werk der Erfüllung der Geschicke der Nation fortsetzen. 
11. Oktober. König Ferdinand I. leistet vor der Volksver- 
tretung den Eid auf die Verfassung. 
Nach der Eidesleistung hält der König folgende Ansprache: Be- 
rufen durch die Gnade Gottes und den Willen des Volkes, der Erbe des 
großen Gründers zu sein, der mir als heiliges Vermächtnis die Gefühle 
der Liebe und Treue eines ganzen Volkes hinterließ, finde ich in meiner 
Liebe zu der Nation die Kraft, ohne Schwanken den Weg der Erfüllung 
meiner großen, aber schwierigen Pflicht zu betreten. Das Beispiel dessen. 
den wir alle wic einen Vater beweinen, und die Ueberzeugung, daß es 
nur durch einen ununterbrochenen Aufschwung möglich ist, die Lebenskraft 
eines Volkes zu sichern, wird für mich der Leitstern meiner Bemühungen 
für die Entwicklung dieses Staates während meines ganzen Lebens sein. 
In Erfüllung dieser hohen Pflicht, die ich mit unverbrüchlicher Treue und 
Liebe auf mich nehme, werde ich den füßesten Lohn finden, und indem wir 
so handeln, geben wir ein Unterpfand der Dankbarkeit dem, dessen An- 
denken das teuerste Band zwischen dem Lande und meinem Hause ist. 
Während seiner glücklichen Regierung, die einen Stolz unserer Geschichte 
bildet, hat der erste König Rumäniens jedesmal, wenn große Ereignisse 
ihm diese Pflicht auferlegten, die mächtigste Stütze in der Einigkeit, mit 
der alle Rumänen sich um seinen Thron scharten, gefunden. Ich bin über- 
zeugt, daß die Rumänen, von demselben hohen Patriotismus beseelt, auch 
in Zukunft dem Throne und dem Lande die Einheit in Gedanken und 
Tat zu geben wissen werden, die das einzige Unterpfand einer gesunden 
nationalen Entwicklung ist. Der Allmächtige, der nach so vielen schweren 
Prüfungen die Arbeit derer segnete, die sich dem Wohle dieser Nation ge- 
widmet haben, wird das, was mit so viel Mühe gebaut ist, nicht vergehen 
lassen und mit Liebe für dieses Volk die rastlose Arbeit schützen, die ich 
als guter Rumäne und als König meinem teuern Lande zu weihen ent- 
schlossen bin.
	        
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