VPereinizte Staaten von Nordameriks und Kanada. (Dezember 4.—8.) 965
4. Dezember. Der britische Botschafter überreicht dem Staats-
departement eine Note, in der erklärt wird, daß England nicht be-
absichtige, die amerikanische Schiffahrt durch Durchsuchen nach Konter-
bande aufzuhalten.
Ein freundschaftlicher Vergleich sei wahrscheinlich, wenn die ameri-
kanischen Reeder auf den Frachtbriefen deutlich angäben, daß, wenn Kupfer-
erz zugleich mit einer leichten Ladung wie z. B. Fleisch, zugelassen würde,
um als Ballast zu dienen, dieses nicht zur Durchfuhr durch neutrale Länder
nach Deutschland und Oesterreich-Ungarn bestimmt sei.
7. Dezember. (Kongreß.) Beginn der Tagung.
Der Budgetentwurf enthält an Ausgaben 1980 Mill. Dollar. Der
Voranschlag ist um mehr als 30 Mill. niedriger als im letzten Jahre. Das
Marinedepartement fordert 145 Mill., die Heeresverwaltung 100 Mill.
Dollar. Das Flottenprogramm sieht den Bau von 2 Schlachtschiffen, 1 Oel-
schiff, 6 Zerstörern, 1 Kanonenboot und etwa 8 Unterseebooten vor.
8. Dezember. (Kongreß.) Botschaft des Präsidenten.
Die Botschaft nimmt zunächst Bezug darauf, daß der Krieg Menschen
und Hilfsquellen in fürchterlichem Umfang vernichte. Die europäischen Völker
richteten ihre Blicke nach Amerika, von wo ihre beinahe leeren Märkte
wieder aufgefüllt werden sollen. Weiter heißt es: Wir verfügen wohl über
Hilfsquellen, können aber keinen vollen Gebrauch davon machen da wir
nicht die für die Verteilung nötigen Mittel besitzen. Wir haben den großen
Irrtum begangen, daß wir die Entwicklung der Handelsmarine hinderten.
Jetzt, wo wir Schiffe brauchen, haben wir sie nicht. Alle Irrtümer gut
zu machen, würde lange Zeit in Anspruch nehmen und den Handel in
andere Kanäle ablenken. Wir schlagen deshalb einen andern Weg vor,
nämlich den, der in den von beiden Häusern beratenen, aber nicht er-
ledigten Gesetzentwürfen über den Ankauf ausländischer Handelsschiffe ge-
wiesen wird. Ueber die Landesverteidigung sagt der Präsident: Wir sind
zwar gerüstet, wollen aber nicht Amerika in ein bewaffnetes Lager ver-
wandeln. In der Stunde der Gefahr müssen wir uns nicht auf das stehende
Heer oder die Reservearmee, sondern auf die waffengeübte Bürgerschaft
verlassen. Die richtige amerikanische Politik ist, ein System zu schaffen,
durch das jeder freiwillig sich meldende Bürger mit dem Gebrauch der
neuen Waffen und den notwendigsten Kenntnissen des Exerzierens und des
Manöpvrierens bekanntgemacht wird. Die Nationalgarde soll weiter ent-
wickelt und verstärkt werden. Mehr als das wäre nur ein Zeichen dafür,
daß wir infolge des Krieges, mit dem wir nichts zu tun haben, die Selbst-
beherrschung verloren haben. Eine starke Flotte haben wir immer als
wichtiges Verteidigungswerkzeug angesehen. Wer sagt uns aber ietzt, was
für eine Flotte wir bauen sollen? Die Lage fordere auf, an die Zeit zu
denken, wo zum ersten Male die Ueberlandeisenbahnen durch die Union
gelegt wurden. Den Erfordernissen von heute müsse man nachkommen, in-
dem man die Aergernisse vermeide, die sich damals ereigneten. An der
Regierung selbst sei es, neue Verkehrswege zu eröffnen, namentlich nach
den Ländern von Mittel- und Südamerika. Später, wenn diese Verkehrs-
mittel sich rentieren, werde die Regierung zurücktreten müssen, um dem
privaten Unternehmungsgeist das Feld zu überlassen. Bei der Erwähnung
von Amerikas Kriegs= oder vielmehr Friedenspolitik verweist Wilson auf
die freundschaftlichen Beziehungen zu allen Staaten. Darin liege Amerikas
Größe. Er schließt: Wir sind die Vorkämpfer von Friede und Eintracht,