Full text: Europäischer Geschichtskalender. Neue Folge. Dreißigster Jahrgang. 1914. Zweite Hälfte. (55b)

1018 Aken. (Dezember 9.—18.) 
9. Dezember. (Japan.) Im Abgeordnetenhause gibt der Mi- 
nister des Außern, Baron Kato, Aufklärungen über die Lage. 
Die Beziehungen zwischen den Verbündeten und den Neutraken 
seien in allen wichtigen Fragen befriedigend. Ein offenherziger Meinunge- 
austausch habe zwischen Japan und China wegen Kiautschou stattgefunden. 
Die chinesische Regierung habe die Lage völlig begriffen. In Beantwor- 
tung einer Interpellation wegen des Ultimatums an Deutschland führt der 
Minister aus, daß er für den Augenblick nicht in der Lage sei, eine Zu- 
sage wegen des künftigen Schicksals Kiautschous zu geben, allein Japan 
habe in dieser Hinsicht keiner einzigen Macht eine Zusage gegeben- Der 
Zweck des Ultimatums sei gewesen, Deutschland zu veranlassen, Kiantschen 
aufzugeben, um so den Frieden in Ostasien zu gewährleisten. Eine Rück- 
gabe nach dem Kriege werde nicht erwogen. 
16. Dezember. (China.) Abschluß einer amerikanischen An- 
leihe im Betrage von 125 Millionen Dollar, die an die Stelle der 
Fünfmächteanleihe treten soll. 
18. Dezember. (Japan.) Japans Beteiligung am europä- 
ischen Kriege? 
Aus Tokio wird der „Welt-Korresp.“ geschrieben: Der Gedanke einer 
Beteiligung Japans am Kriege in Europa lag an sich den Japanern so 
fern, daß sie nie von selbst darauf gekommen wären. Es ist ihnen erst von 
europäischen Politikern, wie dem früheren französischen Minister Pichon 
und dem englischen Politiker Dr. Dillon sowie dem russischen Blatt „Pra- 
vitelstveni Vjestnik“ eingeimpft worden. Dabei ist bemerkenswert, daß auch 
die japanischen Zeitungen und Politiker, die den Gedanken begrüßten, nicht 
elwa aus sachlichen Gründen die Entsendung japanischer Truppen nach dem 
europäischen Kriegsschauplatz befürworteten, sondern aus geschmeichelter 
nationaler Eitelkeit, weil sie in den Lockrufen der englischen, fran zösischen 
und russischen Politiker einen neuen Beweis der europäischen Anerkennung 
Japans als gleichberechtigter, militärisch sogar überlegener Großmacht er- 
blickten. So traten selbst Männer wie Dr. Ariga, der bekannte jopanische 
Völkerrechtslehrer, und Dr. Uchda, der bedeutendste politische Schriftsteller 
Japans, für die Entsendung einer japanischen Armee nach Europa ein, 
nur um des Prestiges Japans willen, nicht etwa aus irgendwelcher Feind- 
schaft oder auch nur Gegnerschaft gegen Deutschland. 
Diesem chauvinistischen Gebaren traten die Regierungsorgane als- 
bald entgegen. Die „Hochi“, das von dem gegenwärtigen Ministerpräsidenten 
beeinflußte Blatt, äußerte sich, kurz zusammengefaßt, dahin: „Japan bat 
eine nationale Armee, die nur zur Verteidigung seines nationalen Lebens 
und seiner nationalen Ehre bestimmt ist. Es wäre daher ein Ding der 
Unmöglichkeit, eine Armee nach Europa zu schicken, um die Neugier einiger 
eunropäischer Zuschauer zu befriedigen.“ Und eine schwere Verletzung der 
Eitelkeit des Dreiverbandes war es, wenn das Blatt fortfuhr: „Japan har 
gewiß tiefes Mitgefühl mit England, Frankreich, Rußland und Belgien 
in ihrer schwierigen Lage. So groß aber auch dieses Mitgefühl ist, so 
wäre es doch noch kein ausreichender Grund, um das Eingreifen einer 
japanischen Armee von 500000 Mann, wie es gefordert wird, zu recht- 
fertigen. Die japanische Armee ist zur Verteidigung des eigenen Landes 
geschaffen worden.“ 
Ebenso entschieden sprach sich die „Nichi Nichi“, das Orgaon des 
japanischen Außenministers, Barons Kato, gegen den Krieg aus. Dus
	        
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