Erobritammien. (August 3.) 553
in einem kritischen Augenblick Folgen dieser Art uns aufgezwungen würden,
weil unsere Handelswege im Mittelländischen Meer für unser Land Lebens-
interessen sein können. Niemand kann sagen, ob während der nächsten
Wochen es einen bestimmten Handelsweg gibt, dessen Offenhaltung nicht
für unser Land eine Lebensfrage ist. Was würde dann unsere Lage sein?
Vir haben keine Flotte im Mittelländischen Meer, stark genug, um mit
einer Kombination anderer Flotten dort zu wetteifern. Es kann gerade
der Augenblick sein, wo wir nicht weitere Schiffe ins Mittelländische Meer
schicken können, und wir könnten unser Land infolge unserer gegenwärtigen
negativen Haltung den schrecklichsten Gefahren ausgeliefert haben.
Nach seiner starken Empfindung sei Frankreich berechtigt, sofort zu
wissen, ob es im Falle eines Angriffs auf seine ungeschützte Küste auf eng-
lischen Beistand rechnen könnte. Er (Grey) habe deshalb am Sonntag-
abend (2. August) dem französischen Botschafter die Versicherung gegeben,
daß, wenn die deutsche Flotte in den Kanal und in die Nordsee ginge,
um die französische Schiffahrt oder Küste anzugreifen, die britische Flotte
jeden in ihrer Macht liegenden Schutz gewähren würde. (Lauter Beifall.)
Diese Erklärung bedürfe der Genehmigung des Parlaments. Sie sei keine
Kriegserklärung. Er habe erfahren, daß die deutsche Regierung bereit sein
würde, wenn England sich zur Neutralität verpflichtet, zuzustimmen, daß
die deutsche Flotte die Nordküste Frankreichs nicht angreifen würde. Dies
wäre eine viel zu schmale Basis für Verpflichtungen englischerseits. Ferner
bestehe die Frage der belgischen Neutralität. Grey rekapituliert die Ge-
schichte der belgischen Neutralität. Die britischen Interessen seien in dieser
Frage ebenso stark wie 1870. England könne seine Verpflichtungen nicht
minder ernst auffassen als Gladstone im Jahre 1870. Als die Mobilisierung
begann, habe er der französischen und der deutschen Regierung telegraphiert,
ob sie die belgische Neutralität respektieren würden. Frankreich habe er-
widert, daß es hierzu bereit sei, falls nicht eine andere Macht jene Neu-
tralität verletzen würde. Der deutsche Staatssekretär habe erwidert, daß
er nicht antworten könne, bevor er mit dem Reichskanzler und dem Kaiser
sich beraten habe. Er gab zu verstehen, daß er zweifle, ob es möglich wäre,
eine Antwort zu geben, weil die Antwort deutsche Pläne enthüllen würde.
Grey teilt weiter mit, daß England vorige Woche sondiert worden
sei, ob es England beruhigen würde, wenn die belgische Integrität nach
dem Kriege wiederhergestelll werde. Er habe erwidert, daß England seine
Interessen und Verpflichtungen nicht verschachern könne. (Beifall.) Grey
verliest darauf ein Telegramm des Königs der Belgier (s. Belgien) an
König Georg, das einen Appell an die englische Intervention zum Schutze
der Unabhängigkeit Belgiens enthält und fährt fort: Diese Intervention
fand letzte Woche statt. Wenn die Unabhängigkeit Belgiens verloren ginge,
so ginge auch die Unabhängigkeit Hollands verloren. Das Parlament sollte
erwägen, was für die britischen Interessen auf dem Spiele stände. Wenn
wir in solcher Krisis weglaufen wollten von unsern Verpflichtungen, unserer
Ehre und unsern Interessen betreffs Belgiens, so zweifle ich, ob, was auch
immer wir an materieller Kraft am Ende haben mögen, dies großen Wert
haben würde angesichts des Maßes der Achtung, das wir verloren haben
würden. Ich glaube nicht, daß eine Großmacht, gleichviel, ob sie am Kriege
teilnimmt oder nicht, am Ende des Krieges in der Lage sein wird, ihre
materielle Stärke auszudehnen. Wenn wir mit unserer mächtigen Flotte,
die unsern Handel, unsere Küste und unsere Interessen schützen kann, an
dem Kriege teilnehmen, werden wir nur wenig mehr zu leiden haben, als
wenn wir uns passiv verhalten. Ich fürchte, wir werden in diesem Krieg
fürchterlich zu leiden haben, gleichviel ob wir daran teilnehmen oder nicht.