1058 Anhaus I. Biplenatische Perhandlungen. (Juli 31.)
(Wien.) Vorm. Anordnung der allgemeinen Mobilmachung
des Heeres und der Flotte.
(Petersburg.) 2 Uhr nachm. Viertes Telegramm des Zaren
an Kaiser Wilhelm: Unmöglichkeit, die militärischen Vorbereitungen
einzustellen, feierliches Versprechen, daß die russischen Truppen keine
herausfordernde Aktion unternehmen werden, solange die Verhand-
lungen mit Österreich andauern (DW Text S. 8; s. S. 375).
(Berlin.) 2 Uhr nachm. Viertes Telegramm Kaiser Wil-
helms an den Zaren: „Der Friede Europas kann noch erhalten
werden, wenn Rußland sich entschließt, die militärischen Maßnahmen
einzustellen, die Deutschland und Osterreich-Ungarn bedrohen“ (DW
Text S. 9; s. S. 375).
(London.) Nachm. Grey über Englands Haltung (EB 111,
116, 119, FG 110).
Grey an den britischen Bot chafter in Berlin (EB 11l#:
Ich sagte heute morgen dem deutschen Botschafter, wenn Deutschland mit
irgendeinem vernünftigen Vorschlag hervortreten könnte, der es deutlich
machte, daß Deutschland und Oesterreich nach der Erhaltung des europäischen
Friedens strebten und daß Rußland und Frankreich unvernünftig wären,
wenn sie ihn ablehnten, so würde ich ihn in Petersburg und Paris unter-
stützen und würde sogar soweit gehen, zu erklären, daß, wenn Rußland und
Frankreich ihn nicht annähmen, die Regierung Seiner Majestät nichts mehr
mit den Folgen zu tun haben werde. Im andern Falle, sagte ich dem
deutschen Botschafter, würden, wenn Frankreich hineinverwickelt würde, auch
wir hineingezogen werden.
Grey an den britischen Botschafter in Paris (EB 119): Ich
sagte (dem französischen Botschafter), wir seien heute im Kabinett zu dem
Schlusse gekommen, daß wir im Augenblick keinerlei Zusicherung geben
könnten. Obwohl wir unsere Politik vor das Parlament zu bringen hätten,
könnten wir nicht zum voraus im Namen des Parlaments eine Zusicherung
geben. Bis zu diesem Augenblick hätten wir nicht das Gefühl, und
ebensowenig die öffentliche Meinung, daß irgendwelche Verträge oder
Verpflichtungen unseres Landes im Spiele seien. Die Weiterentwick-
lung könne diese Lage verändern und Regierung und Parlament zu der
Meinung bringen, daß ein Eingreifen gerechtfertigt sei. Die Bewahrung
der Neutralität Belgiens könnte, ich möchte nicht sagen ein
entscheidender, aber ein wichtiger Faktor zur Bestimmung
unserer Haltung sein. Ob wir nun dem Parlament vorschlügen, in
einem Kriege einzugreifen oder nicht, das Parlament würde zu wissen
wünschen, wie wir zur Neutralität Belgiens stünden, und es könnte
sein, daß ich sowohl Frankreich als Deutschland fragen würde, ob jedes
bereit sei, eine Verpflichtung auf sich zu nehmen, daß es nicht als erste
Macht die Neutralität Belgiens verletzen würde.
(London.) Nachm. Nach Eintreffen der Nachricht von der
russischen Mobilmachung richtet Grey an die deutsche und die fran-
zösische Regierung die Anfrage, ob sie die Neutralität Belgiens
achten wollen, solange als keine andere Macht sie verletzt (EB 114).