Inhans I. Diplematisqe Perhandlungen. (August 1.) 1063
tern. Andererseits, wenn ein kriegführender Teil die Neutralität Belgiens
verletzte, während der andere sie respektierte, dann würde es außerordentlich
schwer sein, die öffentliche Stimmung in unserm Lande im Zaume zu
halten. Ich sagte, wir hätten diese Frage bei einer Kabinettssitzung er-
örtert, und da ich bevollmächtigt war, ihm dies zu sagen, gab ich ihm eine
Denkschrift darüber.
Er fragte mich, ob wir, wenn Deutschland verspräche, die
belgische Neutralität nicht zu verletzen, uns verpflichten würden,
neutral zu bleiben. Ich erwiderte, das könne ich nicht sagen; unsere
Hände seien noch immer frei, und wir überlegten, welches unsere Haltung
sein würde. Alles was ich sagen könnte, sei, daß unsere Haltung in hohem
Grade von der öffentlichen Meinung hier abhinge und daß die belgische
Neutralität sehr stark zur öffentlichen Meinung hier sprechen würde. Ich
dächte nicht, daß wir ein Versprechen der Neutralität auf Grund dieser
Bedingung allein geben könnten.
Der Botschafter drängte sehr in mich, ob ich nicht Bedingungen
aufstellen könnte, unter denen wir neutral bleiben würden. Er legte sogar
nahe, daß die Integrität Frankreichs und seiner Kolonien ga-
rantiert werden könnte. JIch sagte, ich hielte mich für verpflichtet,
endgültig ein Versprechen der Neutralität unter derartigen Bedingungen.
zu bverweigern. und ich könne nur sagen, wir müßten unsere Hände frei
behalten.
Russische Truppen überschreiten die deutsche Grenze.
(Berlin.) 5 Uhr nachm. Anordnung der allgemeinen Mobil-
machung des Heeres und der Flotte.
(Berlin.) Fünftes Telegramm Kaiser Wilhelms an den
Zaren: „Eine sofortige unmißverständliche Antwort Deiner Re-
gierung ist der einzige Weg, um endloses Elend zu vermeiden“
(DW Text S. 10, s. S. 376).
(Berlin.) Staatssekretär v. Jagow legt dem britischen Bot-
schafter die Auffassung der deutschen Regierung dar (EB 138).
Der britische Botschafter in Berlin an Grey (EB 138): Ich
habe mit dem Staatssekretär eine lange Zeit über einer Auseinandersetzung
darüber verbracht, daß der Hauptstreit ein solcher zwischen Oesterreich und
Rußland sei und daß Deutschland nur als Oesterreichs Bundesgenosse
hineingezogen würde. Wenn daher Oesterreich und Rußland, wie es offen-
bar der Fall sei, bereit wären, die Sache zu erörtern und Deutschland
keinen Krieg auf eigene Rechnung wünsche, so schiene es mir nur logisch
zu sein, daß Deutschland die Hand reiche und mit der Arbeit für eine
friedliche Beilegung fortfahre. Der Staatssekretär des Auswärtigen sagte,
Oesterreichs Bereitwilligkeit zu Erörterungen sei das Ergebnis des deutschen
Einflusses in Wien, und wenn Rußland nicht gegen Deutschland mobilisiert
hätte, so wäre alles gut gewesen. Da aber Rußland davon Abstand nahm,
Deutschlands Aufforderung zur Demobilisierung zu beantworten, hätte es
Deutschland gleichfalls zur Mobilmachung veranlaßt. Rußland habe gesagt,
seine Mobilisierung hätte nicht notwendig Krieg zur Folge, und es könnte
sehr gut monatelang im mobilen Zustande bleiben, ohne Krieg zu führen.
Das sei mit Deutschland nicht der Fall. Es hätte die Schnelligkeit und
Rußland die Zahl, und die Sorge für die Sicherheit des Deutschen
Reiches verböte es, daß Deutschland Rußland Zeit ließe,