Mebersicht über die politische Eutwiczlung des Jahres 1914. 1097
anstaltungen wie z. B. der mit Benutzung der französischen Häfen
durchgeführten Winterübungen der englischen Flotte im Februar
und März 1914, die zweifellos eine großzügige Sperrung des
Kanals vorbereiten sollten (S. 520).
Auch das russisch-französische Bündnis und die damit
von beiden Ländern verfolgten Ziele waren vor allem seit dem
Abschluß des russisch-französischen Marineabkommens im Sommer
1912 durchaus eindeutig bestimmt. Die Erhaltung und Befestigung
enger und vertrauensvoller Beziehungen zu Rußland war das Leit-
motiv der Politik, die Poincaré als Ministerpräsident wie als
Staatsoberhaupt mit aller Entschiedenheit verfolgte, und diese Politik
mußte um so ertragreicher sich gestalten, als sie einem augenfälligen
Bedürfnisse des Zarenreiches, das für die Realisierung seiner pan-
slawistischen Pläne Unterstützung und Rückhalt suchte, in er-
wünschtester Weise entgegenkam. Bereits das Handschreiben des Zaren
an Poincaré unmittelbar nach der Präsidentenwahl betonte die
Notwendigkeit „beständigen Zusammenarbeitens und einer steten
Fühlungnahme zwischen den Kabinetten in Paris und Petersburg“.
Die bald darauf erfolgte Sendung Delcassés an den Zarenhof war
ein nicht mißzuverstehendes Zeichen, in welchem Geiste dieses Zu-
sammenarbeiten durchgeführt werden sollte. Wenn auch die Gründe,
die bereits im Januar 1914 (S. 798) Delcassés Rückkehr nach
Paris veranlaßten, noch nicht völlig durchsichtig sind, so war doch
seine Mission zweifellos erfolgreich, und die Verleihung des höchsten
russischen Ordens an den scheidenden Botschafter gab dieser Tatsache
öffentlichen Ausdruck. Noch einmal fand sich Frankreich bereit, den
Spargroschen seiner Rentner dem russischen Freunde zur Verfügung
zu stellen, freilich unter der ausdrücklichen Bedingung, daß er zum
Bau# strategischer Bahnen an der Westgrenze verwendet werde (S.798).
Sehr bedeutsam charakterisiert wurde das Verhältnis beider Staaten
durch die ungeheuere Aufregung, die das Ende Januar auftauchende
Gerücht, die russischen Putilowwerke seien von Krupp aufgekauft
worden, in der Pariser Presse hervorrief, und die durch offiziöse
Beschwichtigungsnoten nur mühsam gestillt wurde (S. 631, 633,
644). Die bei dieser Angelegenheit auf französischer Seite zutage
getretene überempfindlichkeit bewies deutlich, wie eifersüchtig man
Russisch-
französisches
Bündnis.