Full text: Europäischer Geschichtskalender. Neue Folge. Dreißigster Jahrgang. 1914. Zweite Hälfte. (55b)

1130 Aebersicht über die yolitische Entwichlung des Jahrrs 19141. 
von dem bereits am 24. angcordneten Aufschube der Demobilisation 
der britischen Flotte in Kenntnis setzte, eine Maßnahme, die, wir 
Paul Cambon erläuterte, der konzilianten Haltung Serbiens und 
Rußlands zu verdanken sei. Von diesem Zeitpunkt an war das 
Ziel, dem die englische Politik zusteuerte, klar gekennzeichnet, mochte 
Grey auch noch immer sich und anderen eine Handlungsfreiheit 
vortäuschen. 
Inzwischen hatte sich die politische Lage weiter erheblich ver- 
schlimmert. Die unmittelbaren Verhandlungen zwischen Österreich 
und Rußland, zu deren Gunsten Grey seinen Konferenzvorschlag 
aufgegeben hatte, waren von Ssasonow infolge der Kriegserklärung 
Osterreichs an Serbien für beendet erklärt. Gleichzeitig hatte er 
die Vermittlung des Londoner Kabinetts zum Zwecke der Einstel- 
lung der militärischen Operationen Österreichs gegen Serbien an- 
Greys zweitergerufen. Greyformulierte darauf am Nachmittag des 29. dem deutschen 
Ver- 
mittlungs-= 
vorschlag. 
Botschafter einen Vorschlag dahin, Osterreich solle sich verpflichten, 
nach der Besetzung Belgrads und des serbischen Grenzgebietes nicht 
weiter zu gehen, während die Mächte Serbien zu bestimmen suchen 
würden, der Monarchie ausreichende Genugtuungen zu leisten. Dieses 
durchaus billige Verlangen wurde von der deutschen Regierung 
sogleich nach Wien mitgeteilt und dem Wiener Kabinett nachdrück- 
lich zur Erwägung gegeben, die Vermittlung zu den angebotenen 
Bedingungen anzunehmen. In welch nachdrücklicher Form die Ein- 
wirkung auf den Bundesgenossen erfolgte, ist erst durch die Mit- 
teilungen des deutschen Reichskanzlers im Hauptausschuß des 
Reichstages am 9. November 1916 allgemein bekannt geworden. 
Die österreichische Regierung erklärte auch in der Nacht zum 31. Juli 
ihre Bereitwilligkeit, dem britischen Vermittlungsvorschlag näher 
zu treten, unter der Voraussetzung, daß die militärische Aktion 
gegen Serbien einstweilen ihren Fortgang nehme, und daß das eng- 
lische Kabinett die russische Regierung bewege, die gegen die Mon- 
archie gerichtete Mobilisierung zum Stillstand zu bringen. Beide 
Forderungen waren bei Greys Anregung von vornherein in Betracht 
gezogen und enthielten im Grunde nur Selbstverständliches. Durch 
die von Rußland zur selben Zeit angcordnete Mobilmachung wurde 
auch diese Ausgleichsmöglichkeit vernichtet. Wohl beauftragte Grey
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.