1134 Nebersicht äber die politische Eutwiclung des Jahres 1914.
gierung maßgebend bestimmte, war zum Eingreifen entschlossen; und
wie wenig Gewicht sie auf die belgische Frage legte, bezeugt die Er-
klärung, die ihr Führer am 2. August dem Premierminister As-
quith abgab, es wäre für England verhängnisvoll, wenn es zögem
würde, Frankreich und Rußland gegenwärtig zu unterstützen. Von
Belgien war in dieser Kundgebung bezeichnenderweise nicht die
Rede (S. 550). Am Morgen des 2. August kam der von Grey be-
reits angekündigte Kabinettsbeschluß zustande, der die Zusage der
britischen Waffenhilfe an Frankreich enthielt, und der von Grey
sogleich dem französischen Botschafter mitgeteilt wurde. Noch am
Abend wiederholte Grey, ohne Kenntnis der an Belgien gerichteten
dcutschen Anfrage, in bindender Form dem französischen Botschafter
gegenüber diese Zusicherung. In seiner entscheidenden Unterhaus-
rede vom 3. August (S. 551 ff.) gab der Staatssekretär dieses
Hilfeversprechen an Frankreich unter dem starken Beifall des Hauses
bekannt und fügte hinzu, die deutsche Regierung habe sich bereit
erklärt, wenn England sich zur Neutralität verpflichte, zuzustimmen.
daß die deutsche Flotte die Nordküste Frankreichs nicht angreifen
werde; aber dies wäre eine viel zu schmale Basis für Verpflich-
tungen englischerseits. Daß tatsächlich viel weitergehende Vor-
schläge der deutschen Regierung, die England die Bewahrung der
Neutralität unbedingt ermöglicht hätten, vorlagen, hat Grey ab-
sichtlich verschwiegen. Durch die peinliche Anfrage des Arbeiter-
führers Keir Hardie an Grey in der Unterhaussitzung vom 27. August
1914 (S. 1075) ist dieses hinterhältige Verfahren des leitenden
Staatssekretärs schonungslos aufgedeckt worden. über die Frage
der belgischen Neutralität konnte sich Grey, da die deutsche Note
an Belgien noch nicht vorlag, nur hypothetisch äußern. Man hat
aus dieser Rede und aus der scharfen Kritik, die der Arbeiterführer
Ramsay Macdonald an dem Standpunkt der Regierung, um der
Freundschaft mit Frankreich willen in einen Krieg sich einzulassen.
übte (S. 555), durchaus den Eindruck, daß die britische Regierung
am 3. August darauf vorbereitet war, um Frankreichs willen los-
schlagen zu müssen. Es wäre ja auch, wenn an diesem Tage die
deutsche Flotte einen Vorstoß durch den Kanal gemacht hätte, der
Kriegszustand mit Deutschland ohne weiteres eingetreten. Auf einen