Full text: Europäischer Geschichtskalender. Neue Folge. Dreißigster Jahrgang. 1914. Zweite Hälfte. (55b)

Mebersicht über die poliliscze Eutwichlung des Jahres 1914. 1145 
in Friedenszeiten in allen Einzelheiten aufs sorgfältigste durch- 
dachten Plänen der Heeresleitung richtete sich die „blitzschnelle 
Offensive“ der deutschen Armee zunächst gegen Frankreich. Der Kriegs- 
In sieben eisernen, jeden Widerstand niederbrechenden Strömen wrran um 
ergoß sich die deutsche Sturmflut über Belgien und Nordfrankreich. 
Die feindlichen Feldheere und Festungen vermochten den deutschen 
Siegeszug nicht aufzuhalten, kaum zu verzögern. Auch die in das 
Reichsgebiet eingedrungenen französischen Streitkräfte wurden in der 
großen Lothringerschlacht am 20. August unter schwersten Verlusten 
geschlagen und über die Grenzen zurückgeworfen. Anfangs September 
hatten die deutschen Truppen, ohne stärkerem Widerstand zu be- 
gegnen, schon die Marne überschritten und deutsche Reiterei streifte 
bereits vor Paris. Die Hauptstadt und die von ihr abgeschnittene 
französische Hauptarmee schienen schwer gefährdet. Da glückte es 
dem französischen Generalissimus Joffre, der von deutscher Seite 
geplanten Umgehungsbewegung durch entschlossen durchgeführte 
Maßnahmen zuvorzukommen, so daß der weit vorgeschobene rechte 
deutsche Flügel von der Marne zur Aisne zurückgenommen werden 
mußte. Dieser in Frankreich als „Wunder von der Marne“ mit 
geradezu abergläubischer Verehrung gefeierte Rückzug der deutschen 
Armeen war keine Niederlage; denn die Loslösung vom Feinde 
erfolgte durchaus planmäßig und unter Mitnahme zahlreicher 
Gefangener und reicher Beute. Auch war es den Franzosen, die 
von den Engländern nur unzureichend unterstützt wurden, völlig 
unmöglich, ihrerseits die Offensive weiter vorzutragen; vielmehr 
sahen fie sich alsbald auf der gesamten Linie von Noyon bis zu 
den Vogesen in die Verteidigungsstellung gedrängt. Ein eigen- 
artiger, mit allen Künsten der modernen Kriegstechnik geführter 
Stellungskrieg begann, der im Laufe des Oktobers, nachdem Ant- 
werpen am 10. Oktober gefallen und fast ganz Belgien in deutschen 
Händen war, sich auch auf die Front in Flandern bis zur Küste 
ausdehnte. Trotz zahlreicher erbitterter Kämpfe sind bis zum Jahres- 
schluß entscheidende Erfolge auf keiner Seite erzielt worden. 
Bedenklicher standen anfangs die Dinge im Osten. Infolge #er Kriegs- 
der schon lange vor Kriegsbeginn von Rußland insgeheim betriebenen eree m 
militärischen Vorbereitungen konnte sich die zahlenmäßige Uberlegen-
	        
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