1158 Nebersicht über die politische Eutwiczlung des Jahres 1914.
zweiten Beratung des Militäretats am 5. Mai (S. 219 ff.) die ein-
gehenden Darlegungen des preußischen Kriegsministers v. Falken-
hayn über die praktische Durchührung der im Vorjahre bewilligten
Heeresverstärkung. Trotz der unvermindert strengen Anforderungen
an die Diensttauglichkeit waren im letzten Jahre noch 38000 völlig
taugliche Mannschaften übrig, die nicht mehr eingestellt werden
konnten. Bezüglich des vortrefflichen Gesundheitszustandes der Armee
war das Jahr 1913 geradezu ein Rekordjahr, eine Tatsache, deren
Bedeutung erst ins richtige Licht tritt, wenn man die gleichzeitigen
Verhältnisse in Frankreich (S. 1173) zum Vergleich heranzieht. Ob-
wohl die Bestellungen für Bekleidung und Ausrüstung erst Anfang
Juli ausgegeben wurden, konnte bereits am 6. Oktober dem Kaiser
gemeldet werden, daß „die neuen Verbände sämtlich in kriegs-
bereitem Zustande ausrückungsfähig vorhanden“ seien. Im weiteren
Verlaufe der Debatte (S. 227 f.) gab der Kriegsminister seinem
tiefen Abscheu gegen die noch immer nicht ausgerotteten systema-
tischen Soldatenmißhandlungen Ausdruck, wobei er mitteilte, daß
der Kaiser erst am Neujahrstage den kommandierenden Generälen
in der ernsthaftesten Weise wieder vor Augen geführt habe, wie
nötig es sei, in ihrer Bekämpfung nicht nachzulassen. Sehr geschickt
verteidigte der Kriegsminister gegenüber dem sozialistischen Idcale
des Milizsystems die Unersetzlichkeit unserer Heeresverfassung mit
der Begründung, „daß Deutschland infolge seiner militärischen.
geographischen, politischen und auch wirtschaftlichen Lage unbedingt
gezwungen ist, jeden ihm aufgezwungenen Krieg mit blitzschneller
Offensive zu führen, und noch Truppen haben muß, die auch Rück-
schläge vertragen können“ (S. 237). Die von der Heeresverwaltung
vorgelegte Novelle zum Militärstrafgesetzbuche, die für minder
schwere Fälle eine Herabsetzung des Strafmaßes vorsah, wurde vom
Reichstage nach eingehenden Erörterungen (S. 105 ff., 297 ff.) am
20. Mai angenommen. Die Duellfrage wurde am 13. März im
Anschluß an eine Interpellation des Zentrums über einen aktuellen
Fall ausgiebig besprochen (S. 126 ff.), ohne daß bei der Gegensätz-
lichkeit der vorhandenen Anschauungen eine Einigung erzielt wurde.
Am 19. Mai billigte der Reichstag einstimmig einen Gesetzentwurf,
der in Fällen, wo der Zweikampf freventlich verschuldet worden ist,