Full text: Europäischer Geschichtskalender. Neue Folge. Dreißigster Jahrgang. 1914. Zweite Hälfte. (55b)

Mebersicht über die yvolitische Eutwichlung des Jahres 1914. 1171 
Deutschland, sondern weil nach ihrer überzeugung „nur die Neu- 
tralität imstande gewesen wäre, England wirtschaftlich zu heben 
und es in die Lage zu versetzen, aus den Wirrnissen Vorteile zu 
ziehen“ (S. 560). Auch sonst hat es an scharfen Kritiken der Grey- 
schen Politik nicht gefehlt (S. 555 f., 564 f., 567 ff., 575), ohne daß 
sie freilich auf die öffentliche Meinung, die durch Reuterlügen- 
berichte über „German atrocities“, Agitationsreden u. a. im Sinne 
der Kriegshetzer bearbeitet wurde, irgendeinen erkennbaren Ein- 
fluß ausgeübt hätten. Die Kriegsvorlagen der Regierung wurden 
vom Parlamente einstimmig genehmigt. Am 6. August bewilligte 
es einen Kriegskredit von 100 Millionen Pfund Sterling und eine 
halbe Million Mann, am 10. September eine weitere halbe Million 
Mann und am 17. November einen Kriegskredit von 225 Millionen 
Pfund Sterling und eine neue Armee von einer Million Mann. Für 
die erste Kriegsanleihe wurden 400 Mill. Pfund gezeichnet (S. 624). 
Sein wahres Kriegsziel, die wirtschaftliche Niederringung Wirtschafts- 
und Vernichtung des deutschen Gegners, hat England von Anfang wieg. 
an fest ins Auge gefaßt und auf seine Verwirklichung im ganzen 
Bereich des Imperiums planmäßig mit rücksichtslosester Ausnützung 
aller verfügbaren Gewaltmittel hingearbeitet. Am 5. August und 
9. September wurden strenge Verfügungen gegen den Handelsverkehr 
mit den feindlichen Ländern erlassen, die in den folgenden Monaten, 
vor allem durch das vom Unterhause am 21. November angenom- 
mene Ergänzungsgesetz, weiter verschärft wurden. Wohl zeigte die 
britische Regierung am 20. August scheinbar Geneigtheit, die Londoner 
Seekriegsrechtsdeklaration von 1909 für sich als maßgebend zu be- 
trachten, aber die festgesetzten Ausnahmen machten diese Zustimmung, 
wie die deutsche Regierung in einer an die neutralen Mächte ge- 
richteten Denkschrift vom 10. Oktober (S. 422 ff.) im einzelnen nach- 
gewiesen hat, praktisch bedeutungslos. Um Deutschlands Verkehr 
mit den Neutralen nach Möglichkeit zu unterbinden, wurde anfangs 
Oktober die südliche Nordsee durch Minen gesperrt und anfangs 
November die ganze Nordsee als Kriegsgebiet erklärt (S. 593 f., 
601 f.). Namentlich durch Englands willkürliches Verfahren in der 
Konterbandefrage wurden die Rechte der Neutralen schwer geschädigt. 
Von Holland, den skandinavischen Königreichen und den Vereinigten 
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