Full text: Europäischer Geschichtskalender. Neue Folge. Dreißigster Jahrgang. 1914. Zweite Hälfte. (55b)

Innere 
Politik. 
1178 Mebersicht über die politische Eutwichlung des Jahres 1914. 
einigen für Italien günstigen diplomatischen Abmachungen (S. 713. 
716) zum Ausdruck kam, unverkennbar. Gleichwohl wurde der Drei- 
bund von dem italienischen Außenminister als die Grundlage der 
italienischen Politik anerkannt (S.712). Wenn sich auch aus den 
andauernden Unruhen in Albanien und Nordepirus zeitweilig eine 
ernste Trübung der italienisch-österreichischen Beziehungen zu er- 
geben drohte, so gelang es doch immer wieder, durch eingehenden 
Meinungsaustausch zwischen den beiden Kabinetten die bestehenden 
Unstimmigkeiten auszugleichen und die Gemeinsamkeit des Handelns 
aufrechtzuerhalten. Immerhin bleibt das Mißtrauen bemerkens- 
wert, dem die durchaus loyale Haltung Österreichs in Rom fort- 
gesetzt begegnete, und das sich nur mit geheimen Sonderabsichten 
Italiens bezüglich Südalbaniens erklären läßt. Wohl erklärte sich 
die italienische Regierung nach Kriegsausbruch zur Anerkennung 
der Neutralität Albaniens bereit. Sobald aber die Besetzung des 
Nordepirus durch Griechenland eine günstige Handhabe bot, setzte 
sich Italien seinerseits in den Besitz der Insel Sasseno und der 
Stadt Valona (S. 728, 737, 949), angeblich zur Aufrechterhaltung 
der öffentlichen Ordnung, in Wirklichkeit, um mit leichter Mühe 
ein Faustpfand zu erwerben, das sich bei künftigen politischen Aus- 
einandersetzungen vorteilhaft verwenden ließ. Die Okkupation der 
Provinz Libyen erreichte durch die Besetzung von Murzuk, dem 
Hauptplatze im Hinterlande von Tripolis, offiziell ihren Abschluß 
(S. 983); aber die Fortdauer der Kämpfe bewies deutlich, daß von 
einer wirklichen Pazifizierung des Landes noch keine Rede sein 
konnte. Die durch den Eintritt der Türkei in den Krieg verursachte 
Bewegung unter den Eingeborenen stellte alle schwererrungenen 
Erfolge wieder in Frage, obwohl die Pforte offiziell erklären ließ, 
daß der Heilige Krieg sich nicht gegen Italien richte (S. 734). 
Zu der glänzenden Entfaltung der Großmachtstellung Italiens 
in den letzten Jahren stand die Entwicklung der innerpoli- 
tischen Verhältnisse im grellen Gegensatze; ja, die schwächliche 
Haltung der italienischen Außenpolitik während der europäischen 
Krise scheint nicht zum wenigsten durch die schwere Zerrüttung der 
inneren Zustände bedingt gewesen zu sein. Die Finanzlage war 
trotz aller offiziellen Beschönigungsversuche wenig erfreulich. Die
	        
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