Full text: Europäischer Geschichtskalender. Neue Folge. Dreißigster Jahrgang. 1914. Zweite Hälfte. (55b)

NMebersicht über die pelitiscze Entwicklung des Jahres 1914. 1183 
Verfassungsreform die nötige Mehrheit sicherten. — Zu einem offenen 
Zwiste zwischen der Krone und dem Ministerium kam es dagegen 
in Schweden (S. 781 ff.) wegen der bereits seit 1911 geplanten 
Reform der Landesverteidigung. Während das liberale Ministerium 
Staaff die Reform aus finanziellen und politischen Rücksichten nur in 
beschränktem Umfange durchführen wollte, trat der König, unterstützt 
von einer starken Volksströmung, die in dem denkwürdigen Bauern- 
zuge vom 6. Februar (S. 781 ff.) sich kundgab, nachdrücklich für 
eine möglichst durchgreifende, den Forderungen der militärischen 
Sachverständigen entsprechende Ausgestaltung des Heeres und der 
Flotte ein, um Schwedens Neutralität gegen jeden Angriff sicher- 
zustellen. Die rückhaltlos ehrlichen Worte, mit denen der König, 
dieser Überzeugung öffentlich Ausdruck gab, betrachtete das Mini- 
sterium als eine Verletzung des konstitutionellen Regierungsprinzips 
und nahm, als der König auf seinem Rechte der freien Aussprache 
mit dem Volke beharrte, am 10. Februar seine Entlassung. Es 
wurde durch das Geschäftsministerium Hammarskjöld ersetzt, das 
die Lösung der Verteidigungsfrage im Sinne des Königs zu seinem 
Programm erhob. Um der Regierung den nötigen Rückhalt zu 
verschaffen, wurde der Reichstag am 5. März aufgelöst. Bei den 
Neuwahlen erzielte die Rechte bedeutende Erfolge. Gleichwohl wäre 
voraussichtlich die Verteidigungsvorlage an dem Widerstande der 
Liberalen gescheitert, hätte nicht der Ernst der internationalen Lage 
sie zur Aufgabe ihrer unfruchtbaren Opposition veranlaßt. Mit 
unwesentlichen Anderungen wurde sodann die Vorlage vom Reichs- 
tage am 12. September angenommen (S. 791). — Auch in Nor- 
wegen (S. 794 ff.), das am 17. Mai die Hundertjahrfeier der 
Selbständigkeitserklärung festlich beging, erforderte die Landes- 
verteidigung bedeutende finanzielle Aufwendungen. — Die Neutra- 
lität im Weltkriege wurde von den Niederlanden und den 
nordischen Staaten loyal und nicht ohne empfindliche mate- 
rielle Opfer aufrechterhalten. Gegen die schwere Beeinträchtigung 
des neutralen Handels und der neutralen Schiffahrt durch die 
Willkürakte der englischen Kriegsführung wurde nachdrücklich, frei- 
lich erfolglos Einsprache erhoben. Die Zusammenkunft der drei 
standinavischen Könige in Malmö am 18./19. Dezember (S. 793) 
Schweden. 
Norwegen.
	        
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