1194 Mebersicht über die politische Entwichlung des Jahres 1914.
diplomatischen Beziehungen zu Deutschland und am 3. November die
Kriegserklärung an die Türkei. Bei der geringen Stärke des öster-
reichischen Grenzschutzes und den schwierigen Terrainverhältnissen
glückte es montenegrinischen Abteilungen wiederholt, in bosnisches
Gebiet einzudringen und in einigen Grenzbezirken sich fest-
zusetzen.
Griechenland. In der am 13. Februar in Athen überreichten Note der Groß-
mächte, die Griechenland (S. 932 ff.) die von ihm besetzt gehal-
tenen ägäischen Inseln mit Ausnahme von Tenedos, Imbros und
Castellorizo zusprach, wurde als Gegenleistung die Räumung der
zu dem neugeschaffenen Staate Albanien gehörigen Gebiete von
Epirus gefordert. Obwohl die griechische Regierung ihren Schmerz
nicht verhehlen konnte, „sich von Gegenden trennen zu müssen, die
seit Tausenden von Jahren griechisch-nationale Kultur und griechisch-
nationales Bewußtsein hatten", mußte sie sich der Entscheidung der
Großmächte fügen. Doch wurde ihr nachträglich (lam 24. April)
eine kleine Grenzberichtigung im Tale von Argyrokastro zugestanden.
Gleichzeitig erlangte sie die Zusicherung, daß die verschiedenen Volks-
stämme hinsichtlich ihrer Religion und Sprache in dem aufgegebenen
Gebiete vollkommen gleichberechtigt sein sollten. Trotzdem hielt
Griechenland insgeheim an seinen Ansprüchen auf Nordepirus fest,
und die nach dem Ausbruch des europäischen Krieges immer un-
sicherer sich gestaltende Lage in Albanien bot einen willkommenen
Anlaß, angeblich aus „Rücksichten der Menschlichkeit“ sich wieder
in den Besitz der begehrten Gebiete zu bringen. Nach einer offi-
ziösen Meldung aus Athen vom 31. Oktober haben sämtliche Mächte
die Gründe, die Griechenland zur Wiederbesetzung von Nordepirus
zwangen, als wohlberechtigt anerkannt. Die Entwicklung der Insel-
frage sowie der griechisch-türkischen Spannung ist bereits oben
(S. 1188 ff.) dargelegt worden. Im europäischen Kriege erklärte sich
Griechenland neutral; doch teilte Ministerpräsident Venizelos, der
kurz vorher die Leitung der auswärtigen Politik übernommen
hatte, am 1. Oktober in der Kammer mit, daß Griechenland gewisse
Bündnisverpflichtungen mit Serbien eingegangen sei. Damit war
bereits der Weg eingeschlagen, der das Königreich in der Folgezeit
in so schweres Ungemach hineinführen sollte.