Nebersicht über die volitische Entwiclung des Jahres 1914. 1207
eine strenge Durchführung und tatkräftige Verteidigung ihrer bei
Kriegsbeginn sofort erklärten Neutralität unmöglich; sie mußte sich
vielmehr darauf beschränken, gegen den völkerrechtswidrigen Ein-
bruch der Japaner und Engländer in chinefisches Gebiet nachdrück-
lich Verwahrung einzulegen (S. 1013 f., 1016). In dem Ultimatum
an Deutschland hatte die japanische Regierung die Rückgabe Kiau-
tschous an China in Aussicht gestellt (S. 1006); aber bereits im
September wurde diese Zusage zurückgezogen (S. 1012), und die
Besetzung des deutschen Schutzgebietes gab Japan Gelegenheit, seinen
Machtbereich auf die ganze Provinz Schantung auszudehnen
(S. 1013, 1017).
In Japan führte die durch bedenkliche Enthüllungen über
ausgedehnte Bestechungen im Marineressort (S. 995, 997) genährte
Mißstimmung über die kostspielige Flottenpolitik und die dadurch
bedingte große Steuerlast am 24. März den Sturz des Kabinetts
Damamoto herbei. An seine Stelle trat, nachdem die Bildung
eines Kabinetts der Militärpartei unter dem Grafen Kiyoura miß-
lungen war, am 15. Mai das aus Vertretern verschiedener Parteien
zusammengesetzte Ministerium Okuma, das allseitig sehr beifällig
begrüßt wurde, da sein Leiter, der 77jährige Graf Okuma, wegen
seiner langjährigen gemeinnützigen Tätigkeit — er hatte u. a. die
Privatuniversität Waseda gegründet — und seiner volkstümlichen
Beredsamkeit sich in weiten Kreisen eines großen Ansehens erfreute.
Sein Regierungsprogramm, das die Notwendigkeit einer Einschrän-
kung der Steuern betonte (S. 1002 f.), trug den Wünschen der All-
gemeinheit offensichtlich Rechnung. Das Flottenprogramm wurde
freilich auch von ihm aufrechterhalten. Da der Reichstag in seiner
ordentlichen Tagung das Budget nicht erledigt hatte, wurde er im
Juni zu einer Sondertagung zusammenberufen, um die laufenden
Marineausgaben in einer Höhe von 6,5 Millionen Ven zu be-
willigen (S. 1004). Entscheidend für die Führung der auswärtigen
Politik war die Übertragung des Außenministeriums an den lang-
jährigen Botschafter in London, Baron Kato, der bereits am An-
fang des Jahres das Bündnis mit England als die unverrückbare
Grundlage der ganzen auswärtigen Politik Japans bezeichnet hatte
(S. 992). Wie Japan durch dieses Bündnis, das angeblich nur
Japan.