Full text: Europäischer Geschichtskalender. Neue Folge. Dreißigster Jahrgang. 1914. Zweite Hälfte. (55b)

Greßbrilannien. (September 18.) 579 
geblich dem Aufruf zur Anwerbung neuer Rekruten entsprochen worden 
sei. Infolgedessen würden vier neue Armeekorps gebildet werden. 
18. September. Das Parlament vertagt fich bis zum 18. Oktober. 
Im Oberhaus wird eine Thronrede verlesen, in der es 
heißt: Meine Regierung hat jede mögliche Anstrengung gemacht, um den 
Beltfrieden zu erhalten. Ich wurde zum Kriege gezwungen durch den 
absichtlichen Bruch von Vertragsverpflichtungen, durch die Pflicht zur 
Beschirmung des Rechts in Europa und der Lebensinteressen des Reichs. 
Mein Heer und meine Flotte unterstützen mit Wachsamkeit, Mut und 
Fähigkeit in Gemeinschaft mit den tapfern und treuen Bundesgenossen die 
gerechte und ehrliche Sache. In jedem Teile des Reiches schart man sich 
spontan und begeistert unter unserer gemeinsamen Flagge. Wir kämpfen 
für ein würdiges Ziel und werden die Waffen nicht niederlegen, ehe das 
Ziel vollkommen erreicht ist. Ich vertraue vollkommen auf die loyale und 
einträchtige Unterstützung aller meiner Untertanen und bete, daß der all- 
mächtige Gott dazu seinen Segen gebe. Die Gesetzentwürfe über das 
Homerule und die Entstaatlichung der Kirche in Wales erhielten vor der 
Vertagung die königliche Genehmigung. 
Die „Nordd. Allgemeine Zeitung" bemerkt dazu (am 19.) 
Wenn die englische Regierung „jede mögliche Anstrengung“ zur Erhaltung 
des Weltfriedens gemacht hätte, so würde er eben erhalten geblieben sein. 
Solche Anstrengungen hat der Deutsche Kaiser noch bis in die letzte Stunde 
bei den Souveränen von Rußland und England gemacht, und wenn diesen 
Bemühungen kein Erfolg beschieden war, so wissen wir heute aus unwider- 
leglichen Zeugnissen, zuletzt aus dem am 30. Juli von dem belgischen Ge- 
sandten in Petersburg an seine Regierung erstatteten Berichte, daß Ruß- 
land nur losschlug, weil ihm die positive Zusicherung der englischen Regie- 
rung, sie werde am Kriege gegen Deutschland teilnehmen, vorlag. Diesen 
Punkt berührt die Thronrede ebensowenig, wie sie einen Grund dafür an- 
gibt, daß Sir Edward Grey die deutsche Anregung, England möge sich für 
die Neutralität Frankreichs verbürgen und damit mindestens dem Westen 
Europas den Krieg ersparen, einfach zu Boden fallen ließ. Hiermit er- 
ledigt sich auch die Versicherung des englischen Königs, er sei „durch ab- 
sichtlichen Bruch von Vertragsverpflichtungen"“ zum Kriege gezwungen 
worden. Nicht absichtlich und aus Freude an der Sache, sondern mit Be- 
dauern und dem unerbittlichen Gebote der Selbsterhaltung folgend sah 
Deutschland sich zum Betreten des belgischen Gebietes gezwungen, als der 
Krieg, den England hätte verhindern können, unvermeidlich geworden war. 
Wieso endlich die Lebensinteressen des britischen Reiches England zum 
Kriege zwangen, ist uns vollkommen unerfindlich. Es hieß stets, Englands 
größtes Interesse sei der Friede, und der bisherige Verlauf des Kampfes 
dürfte diese Formel nicht entkräftet haben. 
18. September. Die Generalversammlung der Britisch-deutschen 
Freundschaftsgesellschaft beschließt, die Gesellschaft im Hinblick auf 
den Krieg aufzulösen. 
18. September. (Irland.) Der Führer der Iren, Redmond, 
erläßt einen Aufruf zur Bildung einer irischen Brigade, damit 
„Irland in dem historischen Streit für die heiligen Rechte der 
kleinen Völker“ mit den andern Reichsteilen in gleicher Weise ver- 
treten sei. 
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