Gro#britannien. (Ende September.) 583
weise den Bruch mit unseren bisherigen Mitarbeitern zur Folge habe. Er
würde ohne Zweifel verstehen, daß niemand dies mehr bedaure als ich.
Etwa um 9.30 Uhr abends besuchte mich Herr Zimmermann, der
Unterstaatssekretär. Nach dem Ausdruck seines tiefen Bedauerus fragte er
mich beiläufig, ob das Verlangen meiner Pässe mit einer Kriegserklärung
gleichbedeutend sei. Ich erwiderte, eine solche Autorität in Völkerrechts-
fragen, wie er selber sei, müsse ebenso gut oder besser als ich wissen, was
in solchen Fällen das übliche sei. Ich fügte hinzu, daß es viele Fälle ge-
geben habe, wo die diplomatischen Beziehungen abgebrochen wurden und
dennoch kein Krieg folgte, daß aber in dem vorliegenden Falle er aus
meinen Herrn v. Jagow mitgeteilten Instruktionen ersehen haben werde,
daß Seiner Majestät Regierung in dieser Nacht bis 12 Uhr Antwort auf
eine bestimmte Frage erwarte, und beim Fehlen einer befriedigenden Ant-
wort gezwungen sein werde, die Schritte zu ergreifen, welche ihre Ver-
pflichtungen erforderten. Herr Zimmermann sagte, daß dies in der Tat
eine Kriegserklärung bedeute, weil die kaiserliche Regierung die verlangte
Versicherung weder in dieser Nacht noch in einer andern Nacht geben könne.
Nachdem Herr Zimmermann mich verlassen hatte, verbreitete sich
ein Extrablatt mit der Nachricht, Großbritannien habe Deutschland den
Krieg erklärt. Die unmittelbare Folge davon war die Ansammlung einer
überaus erregten und unruhigen Menge vor der britischen Botschaft. Das
kleine Polizeiaufgebot, das man zur Bewachung der Botschaft geschickt hatte,
war bald überwältigt und die Haltung des Pöbels wurde drohender. Wir
nahmen von dieser Demonstration, solange sie sich auf den Lärm beschränkte,
keine Notiz. Als aber das Krachen von Glasfenstern und die Steine in
dem Salon, in dem wir alle saßen, uns zeigten, daß die Situation un-
gemütlich war, telephonierte ich an das Auswärtige Amt einen Bericht
über das Geschehene. Herr v. Jagow informierte sofort den Polizeipräsi-
denten, und eine hinreichend große Abteilung berittener Polizei, die mit
großer Raschheit eintraf, räumte die Straßen sehr bald. Von diesem Augen-
blick an waren wir gut geschützt, und kein direkt unangenehmer Vorsall
trat mehr ein. Nachdem die Orduung wiederhergestellt war, kam Herr
v. Jagow zu mir und drückte mir sein aufrichtiges Bedauern über das
Vorgefallene aus. Er sagte, er schäme sich über das Betragen seiner Lands-
leute mehr, als er Worte habe, um es auszudrücken. Es sei ein unverlösch-
licher Flecken auf dem Rufe von Berlin. Er habe gehört, der Haufe sei
dadurch zu Ausschreitungen hingerissen worden, daß man von der Botschaft
aus Zeichen machte und Dinge herunterwarf. Er sei aber überzengt, daß
dies nicht wahr sei. Er fürchte, ich werde mit mir einen schlechten Eindruck
von den Berliner Manieren nach Hause nehmen. Tatsächlich hätte keine
Entschuldigung voller und ausreichender sein können.
An dem folgenden Morgen, dem 5. August, sandte der Kaiser einen
seiner Adjutanten mit der folgenden Botschaft zu mir: „Der Raiser hat
mich beauftragt, Ew. Exzellenz sein Bedauern über die Geschehnisse der
letzten Nacht auszudrücken, aber gleichzeitig Ihnen zu erklären, daß Sie
aus diesen Geschehnissen eine Vorstellung von den Gesühlen seines Volkes
über das Vorgehen Großbritanniens und dessen Bündnis mit anderen
Nationen gegen seinen alten Verbündeten von Waterloo gewinnen werden.
Seine Majestät bittet Sie auch, dem König zu sagen, daß er auf die Titel
eines britischen Feldmarschalls und britischen Admirals stolz gewesen sei,
aber infolge des Geschehenen diese Titel jetzt sofort ablegen müsse.“ Ich
möchte hinzufügen, daß diese Botschaft von ihrer Herbheit nichts durch die
Art der Mitteilung verlor. Auf der anderen Seite möchte ich auch fest-
stellen, daß ich während dieser ganzen aufreibenden Zeit von Herrn v. Jagow