590 Greßbritannien. (Ende September.)
getroffen waren, um uns vor Belästigungen zu schützen und auch mit
Speisen zu versehen. Ich wurde darüber nicht im Zweifel gelassen, daß
die österreichisch-ungarische Regierung wünsche, daß meine Reise sich mög-
lichst beguem vollziehen und daß ich bei meiner Abfahrt alle einem Ver-
treter Sr. Majestät zukommenden Beweise der Achtung erhielte. Ich war
begleitet von einem Mitgliede meiner Familie und dem gesamten Botschafts-
personal, für dessen unermüdliche wirksame Unterstützung unter schweren
Umständen ich meinen aufrichtigen Dank aussprechen möchte. Die schweizerische
Regierung bewies ihr Zuvorkommen, indem sie auf unserer Reise nach Bern
und nach dreitägigem dortigen Aufenthalt nach Genf für Bequemlichkeit
sorgte. In letzterer Stadt erfuhren wir, daß die französische Regierung auf
Ersuchen Sir Frangois Berties alle Vorkehrungen für unsere rasche Be-
förderung nach Paris getroffen hatte. Wir erreichten England am Sams-
tag den 22. August.
Zu diesem Bericht de Bunsens schreibt die „Norddeutsche All-
gemeine Zeitung“" (am 25. September): Es ist ebenso interessant wie
unschwer, die Tendenz dieser Veröffentlichung festzustellen. Ihre Absicht ist
nicht nur, England von aller Schuld zu entlasten und diese der deutschen
und österreichisch-ungarischen Politik zuzuschieben, sondern sie sucht Deutsch-
land in höherem Grade als Oesterreich-Ungarn für den Krieg ver-
antwortlich zu machen und dadurch zwischen uns und unserm Ver-
bündeten Zwietracht zu säen. Der englische Botschafter beklagt sich darüber,
daß, obwohl die deutsche Regierung behaupte, sie habe Sir Edward Greys
„Bemühungen um den Frieden“ bis ans Ende in Wien unterstützt, der
deutsche Botschafter v. Tschirschky dabei seine (Bunsens) Mitwirkung ebenso-
wenig wie die des russischen und des französischen Botschafters nach-
gesucht habe. Dieser Beschwerde ist einige Naivität nicht abzusprechen. Es
wäre in der Tat höchst außerordentlich gewesen, wenn der deutsche Bot-
schafter in Wien bei seinen Schritten die Hilfe der Vertreter der Entente
erbeten hätte, nachdem bereits Sir Edward Greys Versuch, den serbisch-
österreichischen Konflikt, zur Majorisierung Oesterreich-Ungarns, vor das
Forum der Großmächte zu ziehen, als eine Intrige gegen das deutsch-
österreichische Bündnis abgelehnt worden war. Die Anstrengungen der
deutschen Regierung, die unablässig bei unserm Verbündeten auf friedliche
Entschließungen in einer Weise hinwirkte, wie es England in Petersburg
zu tun versäumt hat, würden in ein sonderbares Licht gerückt worden sein,
wenn an die Stelle vertraulicher, aus den herzlichen Beziehungen zwischen
Wien und Berlin sich ergebender Ratschläge der Anschein eines europäischen
Schiedsspruchs getreten wäre. Deutschland sollte seine Bündnisbeziehungen
zu Oesterreich-Ungarn gefährden, während England sich hütete, den Freund
an der Newa zu verstimmen. Fast noch weniger geschickt ist die weitere
Behauptung, daß Deutschland am 31. Juli mit rauher Hand in die Erfolg
versprechenden Verhandlungen zwischen Wien und Petersburg durch sein
Ultimatum eingegriffen habe, während „einige Tage Aufschub“ Europa
eine furchtbare Heimsuchung erspart haben würden. Es sei demgegenüber
nur daran erinnert, daß, wenn jene nach de Bunsens Auffassung Erfolg
versprechenden Verhandlungen zwischen Oesterreich-Ungarn und Rußland
bis zur letzten Stunde fortgeführt wurden, dies gerade auf die ununter-
brochene Tätigkeit der deutschen Politik für die Erhaltung des Friedens
zurückzuführen gewesen ist. Ohne diese durch Deutschlands Arbeit auch in
Wien noch geschaffene Frist, die England in Petersburg ungenutzt verstreichen
ließ, würde der Krieg um mehrere Tage früher ausgebrochen sein. Denn
schon am 24. Juli hat die russische Regierung in einem amtlichen Com-
muniqus erklärt, sie könne in einem österreichisch-serbischen Konflikt unmöglich